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Ausgewählte Artikel - 2017
neues deutschland - 8. April 2017

Olga Benario

Olga Benario lebte ein außergewöhnliches Leben. Für ihre Mörder hatte sie einen dreifachen Makel - Kommunistin, Jüdin, Frau.

Olga Benario, geboren am 12. Februar 1908 in München, lebte ein außergewöhnliches Leben. Für ihre Mörder hatte sie einen dreifachen Makel - Kommunistin, Jüdin, Frau.

Ihr Vater, ein wohlhabender Rechtsanwalt mit sozialem Gewissen, sorgte ungewollt für ihre frühe Politisierung. Mit gerade 17 verließ sie ihr Elternhaus, ging nach Berlin und schloss sich dem Kommunistischen Jugendverband an. Ihre »revolutionäre Feuertaufe« erhielt sie am 11. April 1928, als sie gemeinsam mit vier Freunden Otto Braun, ihren Lebensgefährten und politischen Lehrmeister, aus dem Gerichtsgefängnis in Berlin-Moabit befreite. Ihre Genossen feierten sie als Heldin, die bürgerliche Presse diffamierte sie als »Flintenweib«. Otto Braun und Olga Benario fanden gemeinsam Zuflucht in der Sowjetunion. Doch ihre Wege trennten sich bald.

Über die folgenden sechs Jahre im Leben von Olga Benario ist nur sehr wenig bekannt. Sicher ist, dass sie Ende der zwanziger Jahre mehrmals als Beauftragte der Kommunistischen Jugendinternationale mit falschen Papieren in Westeuropa unterwegs war. Durch das Geschick und die Umsicht, die sie dabei bewies, so behaupten es unbestätigte Berichte, sei der sowjetische Geheimdienst auf sie aufmerksam geworden und habe ihr eine umfassende Ausbildung zuteilwerden lassen. Auch von einer leidenschaftlichen Beziehung zu einem sowjetischen Offizier wird berichtet, die sie erst beendete, als sie im Dezember 1934 einen ganz besonderen Auftrag erhielt.

Olga Benario sollte den brasilianischen Kommunisten Luiz Carlos Prestes, den legendären »Ritter der Hoffnung«, der viele Jahre im sowjetischen Exil gelebt hatte, nach Brasilien begleiten und die Verantwortung für seine persönliche Sicherheit übernehmen. In den vier Monaten, in denen Olga Benario und Luiz Carlos Prestes, getarnt als portugiesisches Ehepaar, auf verschlungenen Wegen von Moskau nach Rio de Janeiro reisten, wuchs aus der Kameradschaft, die sie vom ersten Tag verband, eine große und einzigartige Liebe.

Die Volksrevolution, die Prestes in seinem Heimatland organisieren wollte, scheiterte. Im März 1936 wurden Olga Benario und Luiz Carlos Prestes verhaftet. Als die Polizei ihr Versteck stürmte, schützte Olga Benario den geliebten Mann mit ihrem Körper, nicht wissend, dass sie sein Kind erwartete.

Luiz Carlos Prestes kam für ein Jahrzehnt ins Gefängnis, Olga Benario wurde – inzwischen hochschwanger – an Hitlerdeutschland ausgeliefert. Ihre Tochter Anita Leocádia wurde in einer Berliner Haftanstalt geboren. Der Mutter von Luiz Carlos Prestes gelang es, das Kind in Sicherheit zu bringen. Für Olga Benario gab es keine Rettung, sie durchlitt in den folgenden Jahren die Konzentrationslager Lichtenburg und Ravensbrück.

Vor 75 Jahren, am 4. oder 5. April 1942, nach anderen Angaben am 23. April 1942, das genaue Datum ist nicht bekannt, wurde Olga Benario Prestes in einer Gaskammer der vormaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt in Bernburg an der Saale ermordet. 

Letzte Änderung: 8. April 2017