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Ausgewählte Artikel - 2016
Disput - Dezember 2016

Verdun

Vor 100 Jahren, am 19. Dezember 1916, endete die Schlacht um Verdun, eine der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkrieges

Mit dem Sturm auf die französische Stadt Verdun und ihre Befestigungen verband die deutsche Oberste Heeresleitung seit Ende 1915 größte Hoffnungen. Der sich seit Monaten hinziehende Stellungskrieg sollte beendet und der Vormarsch der kaiserlichen deutschen Truppen endlich in Richtung Paris fortgesetzt werden, zumindest aber sollte der französischen Kampfmoral durch den Verlust der symbolträchtigen Festung Verdun ein empfindlicher Schlag versetzt werden. Großbritannien sollte auf diese Weise dazu gebracht werden, seine Bündnisverpflichtungen gegenüber Frankreich aufzugeben. Doch die Schlacht von Verdun war für die deutsche Seite verloren, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Bereits im Dezember 1915 hatte die Oberste Heeresleitung mit den Vorbereitungen für die Operation »Gericht« begonnen, die als kriegsentscheidend betrachtet wurde. Auf einem nur wenige Kilometer breiten Frontabschnitt wurden nicht nur Truppen in großer Zahl zusammengezogen, sondern es wurden auch mehr als 1.200 Geschütze bereitgestellt, für die rund 2,5 Millionen Schuss Munition zur Verfügung standen.

Doch der französischen Seite entgingen die deutschen Vorbereitungen nicht. Spätestens am 10. Februar 1916 hatte man im französischen Generalstab den vollen Umfang der Bedrohung erkannt und mit der Verlegung eigener Truppen begonnen. Als das eisige Wetter die deutsche Führung zwang, den ursprünglich für den 12. Februar 1916 geplanten Angriff um mehrere Tage zu verschieben, hatte der Gegner weitere Zeit gewonnen, sich auf den Angriff vorzubereiten.

So war es kaum überraschend, dass die deutsche Offensive, die schließlich am 21. Februar 1916 begann, trotz einiger Anfangserfolge schon nach wenigen Tagen steckenblieb. Im Kriegstagebuch der deutschen Obersten Heeresleitung wurde bereits am 26. Februar 1916 erstmals vermerkt, dass es an diesem Tag keinerlei nennenswerte Bewegung der Frontlinie gegeben habe.

In den folgenden Wochen und Monaten wechselten sich Angriffe und Gegenangriffe ab, ohne dass eine Seite in dieser bis dahin beispiellosen Materialschlacht einen entscheidenden Vorteil erlangen konnte: Die – zeitweiligen – Geländegewinne der deutschen oder französischen Truppen wurden bestenfalls nach Metern gemessen. Der Preis dafür, den vor allem die einfachen Soldaten in den Schützengräben zu zahlen hatten, war entsetzlich. Die Angriffe wurden mit stundenlangem ohrenbetäubendem Artilleriefeuer auf die nur wenige Dutzend Meter entfernten gegnerischen Stellungen vorbereitet, dann folgten Attacken im Nahkampf, bei denen sich die gegnerischen Soldaten mit Bajonetten, Feldspaten und sogar den bloßen Händen gegenseitig zu töten versuchten. Doch selbst in den Zeiten, in denen es keine Kämpfe gab, lauerte ständig und überall der Tod. Auf jede Bewegung in den gegnerischen Schützengräben, sei es, um Ausrüstung oder Verpflegung zu bringen, sei es, um Tote oder Verwundete abzutransportieren, wurde mit heftigem Feuer aus Dutzenden Maschinengewehren reagiert.

Hunger, Durst und katastrophale hygienische Verhältnisse gehörten so zum Alltag der Soldaten, die oftmals tage- und wochenlang ohne ausreichende Verpflegung zwischen Toten und Verwundeten in ihren Stellungen ausharren mussten. Und das in einem Gelände, das sich innerhalb kürzester Zeit durch die unzähligen Granateinschläge in eine Kraterlandschaft verwandelt hatte, wo von den einstmals dichten Wäldern nur noch verkohlte Baumstümpfe übriggeblieben waren und wo mindestens sieben Dörfer im Ergebnis der Kampfhandlungen buchstäblich vom Erdboden verschwanden.

Etwa zweieinhalb Millionen Menschen gingen auf beiden Seiten der Front durch die »Hölle von Verdun«.  An jedem einzelnen Tag der rund 300 Tage dauernden Schlacht starben sechstausend Soldaten, die Zahl der Verwundeten war um ein Vielfaches höher.

Am 19. Dezember 1916 endete die Schlacht um Verdun mit einer letzten französischen Offensive, die ohne greifbares Ergebnis blieb. Der Schwerpunkt der Kampfhandlungen verlagerte sich nun bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 auf andere Abschnitte der deutsch-französischen Front. Doch bis zum heutigen Tag steht Verdun als Symbol für die grenzenlose Grausamkeit des »modernen« Krieges.

Letzte Änderung: 19. Dezember 2016