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Ausgewählte Artikel - 2015
Disput - Juli 2015

Die Potsdamer Konferenz

Vor 70 Jahren fand im Schloss Cecilienhof das letzte Treffen der »Großen Drei« der Anti-Hitler-Koalition statt

Zwei Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa gab es im kriegszerstörten Berlin keinen einzigen Ort, an dem eine Konferenz der »Großen Drei« der Anti-Hitler-Koalition, also der Regierungschefs der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens, hätte stattfinden können. Die Organisatoren des Gipfeltreffens wichen deshalb in das benachbarte Potsdam aus. Im Schloss Cecilienhof, dem letzten Schlossneubau der Hohenzollern, erst 1917 fertiggestellt, fanden sie geeignete Räume. Die »Dreimächtekonferenz von Berlin«, so bis heute die offizielle Bezeichnung, wurde auf diese Weise dauerhaft zur »Potsdamer Konferenz«.

Am 17. Juli 1945 trafen Josef Stalin, Harry S. Truman und Winston Churchill zu ihrer ersten Verhandlungsrunde zusammen. Die Große Halle von Schloss Cecilienhof war aufwendig zum Konferenzsaal umgebaut worden. Ein runder Tisch von mehr als drei Metern Durchmesser war eigens in Moskau angefertigt und mit einem Sonderzug angeliefert worden. Auf Vorschlag Stalins wurde US-Präsident Truman zum Vorsitzenden der Konferenz bestimmt. Man einigte sich darauf, alle wichtigen Fragen zunächst in den Arbeitsgruppen beraten zu lassen, die aus den Politikern und Militärs gebildet wurden, die die »Großen Drei« nach Potsdam begleitet hatten, und die Fragen erst danach im Kreis der »Großen Drei« abschließend zu behandeln.

Vom 25. bis 27. Juli wurden die Beratungen auf höchster Ebene offiziell unterbrochen: In dieser Zeit wurden in Großbritannien die Ergebnisse der Parlamentswahlen bekanntgegeben, und Winston Churchill wurde durch Clement Attlee als Premierminister abgelöst.

Am 2. August 1945 endete das Treffen mit der Unterzeichnung einer »Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin« durch Stalin, Truman und Attlee. Diese »Mitteilung«, im völkerrechtlichen Sinne nicht mehr als eine nur wenig verbindliche Absichtserklärung, bildete als »Potsdamer Abkommen« für beinahe fünf Jahrzehnte den Rahmen der europäischen Nachkriegsordnung, auch wenn der Kalte Krieg, dessen erste Vorzeichen bereits in Potsdam nicht mehr zu übersehen waren, wichtige Teile des Papiers sehr bald zu Makulatur werden ließ.

Insbesondere betraf das die politischen Grundsätze für die Besetzung Deutschlands, die die vier Siegermächte – Frankreich schloss sich dem Potsdamer Abkommen am 7. August 1945 offiziell an – über den Alliierten Kontrollrat gemeinsam in allen vier Besatzungszonen durchsetzen wollten und die in der Literatur immer wieder als die »5 D« bezeichnet werden: Denazifizierung, Demilitarisierung, Demokratisierung, Dezentralisierung, Demontage.

Es genügt, den Punkt Demilitarisierung herauszugreifen, um das weitgehende Scheitern der in Potsdam vereinbarten Ziele zu erkennen: Geplant war ein Deutschland ohne Waffen und ohne jegliche Rüstungsindustrie. Nie wieder sollte von Deutschland die Gefahr eines Krieges ausgehen. Doch mit der Gründung der NATO und der Wiederbewaffnung in der Bundesrepublik verkehrten die westlichen Siegermächte ihre eigenen Ziele in das genaue Gegenteil. Die Sowjetunion reagierte mit der Schaffung eines eigenen Paktsystems, des Warschauer Vertrages, und dem Aufbau einer Armee in der DDR.

Zur Geschichte der Potsdamer Konferenz gehört auch, dass mit ihr de facto das atomare Wettrüsten begann: Am Rande der offizielle Beratungen hatte Truman am 22. Juli 1945 Stalin scheinbar beiläufig und privat darüber informiert, dass die USA eine neue Waffe, eine Bombe von außergewöhnlicher Sprengkraft, entwickelt und getestet hätten. Stalin, der durch die sowjetische Auslandsspionage darüber informiert war, um was für eine Bombe es sich handelte, gab noch im August 1945, unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Moskau, den Befehl, die während des Krieges mit nur sehr begrenzten Mitteln betriebene Atombombenentwicklung zu forcieren. Vier Jahre später verfügte auch die Sowjetunion über Atomwaffen. Und weitere sechs Monate später begannen die USA mit der Entwicklung der Wasserstoffbombe …

Die Gültigkeit der Potsdamer Vereinbarungen endete im Herbst 1990 mit dem sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag, dem »Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland«, in dessen Rahmen in kürzester Zeit vollendete Tatsachen hinsichtlich der deutschen »Wiedervereinigung« geschaffen wurden. Die DDR, einer der Signatarstaaten, konnte den Vertrag nicht einmal mehr ratifizieren. Ihr Untergang, mit dem Vertrag völkerrechtlich geregelt, wurde am 3. Oktober 1990 vollzogen, bevor die »frei gewählte« Volkskammer über die Rechtskraft dieses Vertrages beschließen konnte.

Letzte Änderung: 27. August 2015