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Ausgewählte Artikel - 2015
Disput - Oktober 2015

Arthur Ewert

Revolutionär auf drei Kontinenten. Vor 125 Jahren, am 13. November 1890, wurde der deutsche Kommunist und Internationalist geboren

Im Sommer 1925 befand sich die KPD in einer tiefen Krise. Der linksradikale Kurs der Parteiführung, insbesondere ihre gewerkschaftsfeindliche Politik, hatte die Partei von der großen Masse der Arbeiter isoliert. In dieser Situation griff die Kommunistische Internationale (Komintern) in Moskau ein. Arkadi Maslow und Ruth Fischer mussten ihren Platz an der Spitze der Partei räumen und an Ernst Thälmann abtreten. Allerdings hatte Thälmann den politischen Kurs seiner Vorgänger lange Zeit kritiklos mitgetragen, so dass sich Moskau veranlasst sah, Thälmann einen hochrangigen Funktionär an die Seite zu stellen, der in der engeren Führung der KPD den realpolitischen Flügel repräsentieren sollte.

Dieser Funktionär war Arthur Ewert, ein gelernter Sattler, damals knapp 35 Jahre alt. Geboren in der tiefsten ostpreußischen Provinz, war Arthur Ewert mit fünfzehn Jahren nach Berlin gekommen und hatte sich dort sofort der Arbeiterjugendbewegung angeschlossen. Mit 18 Jahren wurde er Mitglied der SPD. Im Frühsommer 1914, wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, verließ er Deutschland und ging nach Kanada, wo er fünf Jahre lebte und arbeitete. Im Spätherbst 1918 gehörte er zu den Mitbegründern der (kurzlebigen) ersten Kommunistischen Partei Kanadas. Nach seiner Verhaftung und Ausweisung Mitte 1919 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde Mitglied der KPD. Er trat für die feste Verankerung seiner Partei in der Arbeiterbewegung ein und engagierte sich deshalb vor allem in der Gewerkschafts- und der Betriebsrätebewegung.

Auf dem Leipziger Parteitag im Februar 1923 wurde Arthur Ewert Mitglied der Zentrale der KPD, dem aus nur 20 Männern und einer Frau – Clara Zetkin – bestehenden höchsten Führungsgremium der Partei. Nach dem gescheiterten »Deutschen Oktober« 1923 (siehe DISPUT 10/2013) und dem nachfolgenden linksradikalen Kurswechsel der KPD schied er für fast zwei Jahre aus der Führung aus und gelangte erst im Sommer 1925 wieder in eine verantwortliche Position.

In den folgenden drei Jahren – bis etwa Mitte 1928 – konnte die KPD, unter dem maßgeblichen Einfluss von Arthur Ewert, einige bedeutende politische Erfolge erringen. Insbesondere bei der Kampagne gegen die Fürstenentschädigung im Jahre 1926 konnte sie – in engem Zusammengehen mit der SPD und den Gewerkschaften –  Menschen weit über den Kreis der eigenen Anhänger hinaus mobilisieren.

Anfang 1928 allerdings verordnete Stalin der Komintern und ihren Mitgliedsparteien, also auch der KPD, einen erneuten Linksschwenk, und plötzlich gehörten Arthur Ewert und seine politischen Freunde zu den sogenannten Versöhnlern, die die »rechte Gefahr« innerhalb der kommunistischen Bewegung angeblich unterschätzen würden. In dem sich anschließenden innerparteilichen Machtkampf mit Ernst Thälmann, der die Position Stalins uneingeschränkt teilte und im Gegenzug von Stalin unterstützt wurde, unterlag Arthur Ewert. Damit setzten sich in der KPD endgültig jene Kräfte durch, die in der Sozialdemokratie, regelmäßig als »Sozialfaschismus« denunziert, und nicht im Hitlerfaschismus die größte Gefahr und damit den Hauptfeind sahen.

Im Herbst 1930 schied Arthur Ewert endgültig aus der Arbeit der KPD aus. Er wurde als Leiter des Südamerikanischen Büros der Komintern nach Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, abgeschoben. Von 1932 bis 1934 leitete er die (illegale) Vertretung der Komintern in der chinesischen Metropole Shanghai.

Im Herbst 1934 kehrte Arthur Ewert nach Südamerika zurück. In Brasilien war mit der Nationalen Befreiungsallianz eine breite und mitgliederstarke Volksfrontbewegung entstanden. Luiz Carlos Prestes, der legendäre »Ritter der Hoffnung«, der zu dieser Zeit in Moskau lebte und arbeitete, drängte auf eine schnelle Rückkehr in seine Heimat, denn er hoffte darauf, gestützt auf die »Allianz« und im Bündnis mit seinen Anhängern in den Streitkräften, die politische Macht in Brasilien übernehmen zu können. Arthur Ewert erhielt als Leiter des Südamerikanischen Büros der Komintern den Auftrag, Prestes und die KP Brasiliens umfassend zu unterstützen. Im November 1935 allerdings scheiterte das Vorhaben – wegen Verrats, aber auch und vor allem wegen einer völligen Fehleinschätzung des politischen Kräfteverhältnisses. Der nachfolgenden Terrorwelle fielen zahllose Menschen zum Opfer. Arthur Ewert und seine Frau Elise wurden im Dezember 1935 verhaftet und barbarisch gefoltert. Elise Ewert wurde Mitte 1936 gemeinsam mit Olga Benario, der Lebensgefährtin von Luiz Carlos Prestes, an Hitlerdeutschland ausgeliefert, wo sie im Sommer 1939 im KZ Ravensbrück, erst 53 Jahre alt, starb.

Arthur Ewert fiel in Folge der unmenschlichen Torturen in der Haft in geistige Umnachtung. Er wurde erst 1945 aus dem Gefängnis entlassen, kam 1947 in die damalige Sowjetische Besatzungszone Deutschlands und verbrachte seine letzten Lebensjahre – er starb am 3. Juli 1959 – in einem Pflegeheim. Seine letzte Ruhestätte fand Arthur Ewert auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde.

Letzte Änderung: 26. Oktober 2015