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Ausgewählte Artikel - 2008
Neues Deutschland - 8. Februar 2008

Äußerst lesenswerte Erinnerungen

Leserbrief zu "Manchmal ist Iloyalität geboten" - Neues Deutschland, 2. und 3. Februar 2008

Ruth von Meyenburg, viele Jahre verheiratet mit Ernst Fischer, dem wohl bedeutendsten kommunistischen Intellektuellen Österreichs und Erziehungsminister in der ersten österreichischen Nachkriegsregierung, war in den dreißiger Jahren Mitarbeiterin der Vierten Abteilung des Generalstabs der Roten Armee gewesen, also der militärischen Aufklärung, für die beispielsweise auch Richard Sorge und Ruth Werner arbeiteten. Durch ihre adlige Herkunft hatte sie gute Kontakte zu hohen und höchsten Führungskreisen in Nazideutschland, einer ihrer wichtigsten Kontakte war Hammerstein, mit dem sie schon vor Beginn ihrer Arbeit für die Vierte Abteilung persönlich befreundet gewesen war. 

Hammerstein wußte nicht nur von ihrer Anbindung, sondern lieferte ihr im Wissen um die Tatsache, daß sie diese Informationen nach Moskau weitergeben würde, viele geheime und streng vertrauliche Informationen über den Zustand der Reichswehr bzw. der Wehrmacht in Deutschland, über die Stimmung in der deutschen Generalität usw. 

In ihren äußerst lesenswerten Erinnerungen "Blaues Blut und rote Fahnen" berichtete Ruth von Meyenburg, daß sie Mitte der dreißiger Jahre persönliche Grüße von Woroschilow, damals sowjetischer Verteidigungsminister, an Hammerstein überbrachte, die dieser erwiderte. Bei dieser Gelegenheit warnte Hammerstein sie: "Hüte dich vor Tuchaschewski!". Bevor sie selbst diese Nachricht nach Moskau weitergeben konnte, war Tuchaschewski bereits zum Tode verurteilt und erschossen worden. Heydrich hatte, so der Bericht von Ruth von Meyenburg, auf persönlichen Befehl von Hitler ein Dossier über Tuchaschewski gefälscht, in dem dieser der Zusammenarbeit mit Nazideutschland bezichtigt wurde, und dem tschechoslowakischen Präsidenten Benes zugespielt, damit Benes wiederum diese Nachricht in gutem Glauben nach Moskau weitergeben würde. Ziel war es, und das wurde ja auch erreicht, einen der fähigsten Sowjetmarschälle auszuschalten. 

Offensichtlich, so Ruth von Meyenburg, war auch Hammerstein über dieses Dossier informiert gewesen, ohne allerdings zu wissen, daß es sich um eine Fälschung handelte. Er wollte der Sowjetunion tatsächlich einen Freundschaftsdienst erweisen.

Letzte Änderung: 11. November 2011