Ausgewählte Artikel - 2020
Wie DIE LINKE zu ihrer Zentrale kam
Vor 30 Jahren, im Februar 1990, beschloss der Parteivorstand der PDS den Umzug in das Karl-Liebknecht-Haus
Am 1. Februar 1990 entschied das Präsidium des Parteivorstandes der PDS, das vormalige »Große Haus« am Berliner Marx-Engels-Platz, heute ein Bürogebäude des Auswärtigen Amtes, als Sitz der Partei aufzugeben und in das deutlich kleinere Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz umzuziehen. Drei Tage später, am 4. Februar 1990, bestätigte der Parteivorstand diesen Beschluss. In einem Interview, rund fünfzehn Jahre nach dieser Entscheidung, erinnerte sich Gregor Gysi: »Also ich weiß nicht mehr, wer auf die Idee gekommen ist. Ich weiß nur, dass ich es nicht war, weil ich davon auch zu wenig Kenntnisse hatte. Aber dass mir die Idee gut gefiel, weil es bei diesem Gebäude am wahrscheinlichsten war, dass niemand die Eigentumsfrage bestreitet. Es bringt ja auch nichts, wenn Du irgendwo hinziehst, wo Du wieder raus musst.« Doch es dauerte bis 1995, bis auch die bundesdeutschen Behörden rechtsverbindlich akzeptieren mussten, dass die PDS die rechtmäßige Eigentümerin des Karl-Liebknecht-Hauses war, und es keinen Zweifel mehr gab, dass die PDS das Haus auch weiterhin nutzen durfte.
Die KPD hatte das Karl-Liebknecht-Haus, ein früheres Fabrik- und Geschäftshaus, im Sommer 1926 durch die parteieigene »Bürohaus-Vulkan GmbH« kaufen lassen. Die »Vulkan« war wenige Jahre zuvor gegründet worden, um für die KPD Grundeigentum zu erwerben und zu verwalten. Damals war es vor allem um den ersten Sitz der Partei, ein Hinterhaus in der Berliner Rosenthaler Straße, gegangen, der allerdings sehr schnell zu klein wurde und so den Kauf eines neuen Parteihauses erforderlich machte. Zu den Gesellschaftern der »Vulkan» gehörten Wilhelm Pieck und Hugo Eberlein.
Für das neue Parteihaus in Berlin interessierte sich auch die Kommunistische Internationale in Moskau: Die KPD musste gegenüber der kommunistischen »Weltpartei« den Nachweis führen, dass für den Kauf des Karl-Liebknecht-Hauses keine finanziellen Mittel verwendet wurden, die für die politische Arbeit bestimmt waren. In einem Brief vom 27. April 1927 berichtete Hugo Eberlein, damals Mitglied des Politbüros und für die Parteifinanzen verantwortlich, nach Moskau, wie die KPD den Kaufpreis von 450.000 Reichsmark durch den Verkauf des Hauses in der Rosenthaler Straße und durch die Aufnahme einer Hypothek auf das eben gekaufte Haus aufbrachte und durch geschickte Nutzung der gesetzlichen Abschreibungsregeln dabei noch einen Gewinn von 20.000 Reichsmark erwirtschaftete, mit dem der Umbau des Hauses finanziert werden konnte.
Im März 1933, wenige Wochen nach der Machtübergabe an Hitler und seine Bande, wurde das Karl-Liebknecht-Haus als »Herd staatsfeindlicher Umtriebe«, wie es in dem entsprechenden Dokument hieß, von den Nazibehörden enteignet und nach einem umfangreichen Umbau als »Horst-Wessel-Haus« dem preußischen Staat zur Nutzung übergeben. Bis Anfang 1945 waren im Karl-Liebknecht-Haus nun mehrere Berliner Katasterämter untergebracht.
Ende April 1945 kehrte der Zweite Weltkrieg nach Berlin zurück, wo er sechs Jahre zuvor seinen Ausgangspunkt hatte. Sowjetische Truppen hatten die Reichshauptstadt bereits eingekesselt und rückten kämpfend in Richtung Stadtzentrum vor. Die Rotarmisten, die sich dem Alexanderplatz näherten, hatten den Befehl erhalten, das symbolträchtige Karl-Liebknecht-Haus, wo sich seit Februar 1945 ein Stab des »Volkssturms« einquartiert hatte, möglichst unzerstört zu befreien. Der Befehl wurde ausgeführt, am 24. April 1945 gegen 16.00 Uhr wehte auf dem Dach des Karl-Liebknecht-Hauses wieder die rote Fahne. Doch die Rotarmisten versäumten es, das eben befreite Gebäude nach versteckten Sprengladungen zu durchsuchen. Mit tragischen Folgen: In der Nacht zum 25. April 1945 explodierten im Karl-Liebknecht-Haus zahlreiche Bomben mit Zeitzündern, die die abziehenden Nazis zurückgelassen hatten. Etwa fünfundzwanzig sowjetische Soldaten, für die der Krieg eigentlich schon beendet war, fanden so einen völlig sinnlosen Tod. Das Karl-Liebknecht-Haus selbst wurde nahezu vollständig zerstört.
Am 30. Oktober 1945 wurde das Karl-Liebknecht-Haus, das durch die Enteignung im Jahre 1933 in das Eigentum des preußischen Staates übergegangen war, durch den »Befehl 124 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung und Oberbefehlshabers der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland« beschlagnahmt. Diese Maßnahme betraf das gesamte Eigentum, »das früher dem Hitlerstaat, den Militärbehörden, den durch das Sowjetische Militärkommando verbotenen und aufgelösten Gesellschaften, Klubs und Vereinigungen gehört hat.« Zwei Jahre später, am 17. Dezember 1947, wurde die Beschlagnahme des Karl-Liebknecht-Hauses durch den »Befehl 175 des Chefs der Garnison und Militärkommandanten des sowjetischen Besatzungssektors der Stadt Berlin« wieder aufgehoben. Das Eigentum am Grund und Boden und dem schwer beschädigten Bauwerk wurde der »Fundament Gesellschaft für Grundbesitz mbH« übertragen. Die »Fundament« war am 25. Februar 1946 als »Firma für den Erwerb, die Errichtung und die Verwaltung von [… Parteihäusern] sowie Grundstücken jeder sonstigen Art« von der Führung der KPD gegründet worden, wie es im Gesellschaftsvertrag hieß. Zu den Gesellschaftern, die treuhänderisch für das Parteieigentum Verantwortung trugen, gehörte wiederum Wilhelm Pieck. Am 23. Februar 1948 fasste das Zentralsekretariat der SED, die im April 1946 aus dem Zusammenschluss von KPD und SPD in Ostdeutschland entstanden war, den Beschluss, das Karl-Liebknecht-Haus wieder aufzubauen. Im August 1948 begannen die Enttrümmerungsarbeiten, Ende 1950 war der Wiederaufbau weitgehend abgeschlossen.
In den folgenden vier Jahrzehnten wurde das Karl-Liebknecht-Haus von der SED vor allem als Bürogebäude genutzt und verschwand weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung. Das änderte sich erst im Verlaufe des Jahres1990, nach der politischen »Wende« in der DDR, als die aus der SED hervorgegangene PDS im Karl-Liebknecht-Haus ihren neuen Parteisitz einrichtete.
Mit der Untersuchung der Herkunft und des Verbleibs des einstigen Parteivermögens der SED befassten sich in den ersten Jahren des »wiedervereinigten« Deutschlands mindestens zwei Bundesbehörden: die sogenannte Unabhängige Kommission, die keineswegs unabhängig war, sondern dem Bundesinnenminister unterstand, und die berüchtigte Treuhandanstalt. Tatsächlich ging es vor allem darum, mit juristischen Mitteln das zu erreichen, was politisch nicht gelang – die PDS als eine Partei zu erledigen, die neu und anders war und nicht in das altbundesdeutsche Parteisystem passen wollte. Dabei hatte die PDS als Rechtsnachfolgerin der SED bereits verbindlich auf alles Eigentum der früheren SED verzichtet, das nicht nach rechtsstaatlichen Maßstäben erworben worden war, und sie leistete ihren Beitrag bei der Klärung der finanziellen Verhältnisse der gewesenen SED. Doch das hinderte die einschlägigen Behörden nicht daran, auch mit drastischen, nur bedingt legalen Mitteln gegen die PDS vorzugehen.
So unterstellte sich am 12. Juli 1991 die Treuhandanstalt kurzerhand alle Berliner Immobilien der PDS, einschließlich des Karl-Liebknecht-Hauses. Der Parteivorstand leitete umgehend juristische Schritte ein, doch es sollte mehr als ein Jahr dauern, bis das Berliner Verwaltungsgericht am 24. August 1992 gegen die Treuhandanstalt entschied und das Karl-Liebknecht-Haus der PDS wieder uneingeschränkt als »Alteigentum« übergab.
Erst nach jahrelangen Verhandlungen und juristischen Auseinandersetzungen um das Alt- und Neuvermögen der PDS, immer wieder begleitet von Demonstrationen, Hungerstreiks und anderen Formen des Protestes und der Solidarität mit der Partei, kam es am 18. Juli 1995 schließlich vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht zu einem Vergleich zwischen der PDS, der Unabhängigen Kommission und der Treuhandanstalt, mit dem alle ausstehenden Vermögensfragen endgültig geregelt wurden. Zu den Immobilien, die der PDS rechtsverbindlich zuerkannt wurden, gehörte auch das Karl-Liebknecht-Haus, das seit Juni 2007 Sitz der LINKEN ist.
Letzte Änderung: 1. Februar 2020