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Ausgewählte Artikel - 2019
Disput - November 2019

»Ich habe den Krieg verhindern wollen«

Vor 80 Jahren, am 8. November 1939, verübte der Tischler Georg Elser ein Bombenattentat gegen Hitler, das nur knapp scheiterte

Am 8. November 1939, exakt um 21.20 Uhr, explodierte im Münchner Bürgerbräukeller eine Bombe. Acht Menschen starben, doch Hitler, dem der Anschlag gegolten hatte, war nicht darunter. Um 21.07 Uhr hatte er den Saal verlassen.

Hitler war an diesem Tag mit seiner Entourage in die »Hauptstadt der Bewegung« gekommen, um – wie in jedem Jahr – mit seinen Kumpanen aus der »Kampfzeit« den »Marsch auf die Feldherrenhalle« zu »feiern«, den kläglich gescheiterten Putschversuch vom 9. November 1923, der von der Nazipropaganda längst zu einem »Höhepunkt der deutschen Geschichte« verklärt worden war. Knapp 2.000 Menschen hielten sich beim Eintreffen Hitlers im Bürgerbräukeller auf, darunter viele führende Nazis. Doch entgegen seiner langjährigen Gewohnheit blieb Hitler nur wenige Minuten, ohne die sonst übliche lange Rede zu halten: Er musste einen Sonderzug der Bahn erreichen, der ihn wieder in die Reichshauptstadt bringen sollte, da er wegen starken Nebels nicht fliegen konnte.

Unmittelbar nach dem gescheiterten Attentat nahmen zwei Kommissionen der Gestapo die Arbeit auf – eine »Tatortkommission«, die die Herkunft und die Funktionsweise der Bombe klären sollte, und eine »Täterkommission«, deren Aufgabe es war, den Urheber des Anschlags und seine Hintermänner zu ermitteln.

Angesichts der Professionalität, mit der das Attentat vorbereitet und durchgeführt worden war, vermutete die Gestapo zunächst den britischen Geheimdienst als Urheber. Doch sehr schnell stellte sich heraus, dass es nur einen einzigen Täter ohne Hintermänner gab, den Tischler Georg Elser, damals 36 Jahre alt.

Elser war bereits am 8. November 1939 gegen 20.45 Uhr, also noch vor der Explosion der Bombe im Bürgerbräukeller, bei dem Versuch festgenommen worden, zu Fuß in die Schweiz zu gelangen. Bei seiner Durchsuchung fanden die Grenzbeamten Teile eines Zünders und ein Mitgliedsabzeichen des verbotenen kommunistischen Rotfrontkämpferbundes. Elser wurde umgehend der Gestapo übergeben.

Die Vernehmungen Elsers dauerten mehrere Wochen. Zeitweise wurde er schwer gefoltert, weil die Gestapo-Beamten seiner Aussage, allein und ohne fremde Hilfe gehandelt zu haben, zunächst keinen Glauben schenken wollten. Doch Elser erläuterte präzise und nachvollziehbar die Baupläne für seine Bombe, und er beschreib detailliert, wie es ihm gelang, über viele Wochen und Monate hinweg nachts allein im Saal des Bürgerbraukellers das Versteck für seine Bombe in einer holzverkleideten Säule vorzubereiten.

Während Elser gegenüber der Gestapo mit großer Offenheit über die technischen Aspekte seines Anschlagsplans sprach, so äußerte er sich kaum zu seinen tieferen Motiven. »Ich habe den Krieg verhindern wollen«, erklärte er seinen Vernehmern. Deshalb habe er bereits Mitte 1938 damit begonnen, das Attentat zu planen und vorzubereiten.

Hinsichtlich einer möglichen Verbindung zur illegalen KPD und zum Rotfrontkämpferbund, schließlich hatte er bei seiner versuchten Flucht aus Deutschland ein Mitgliedsabzeichen mit sich geführt, gab er sich arglos. Zwar sei er zahlendes Mitglied des Rotfrontkämpferbundes gewesen, doch habe er sich nie an dessen Aktivitäten beteiligt. Ein – bereits verstorbener – Nachbar habe ihn geworben. In der Weimarer Republik habe er KPD gewählt, ohne jedoch Kommunist gewesen zu sein. Über die Politik der KPD wisse er nichts und habe sich auch nicht dafür interessiert.

Die Glaubwürdigkeit dieser in den Protokollen der Gestapo festgehaltenen Aussagen konnte bis heute nicht überprüft werden. Daher schließen verschiedene Autoren nicht aus, dass Elser auch während der Nazi-Zeit möglicherweise Kontakt zur illegalen KPD hatte, ohne dass die KPD allerdings bei der Vorbereitung des Attentats eine Rolle spielte.

Nach dem Ende der Ermittlungen wurde Elser als »persönlicher Gefangener des Führers« zunächst in das KZ Sachsenhausen, später in das KZ Dachau überstellt. Er sollte nach Ende des Krieges in einem großen Schauprozess abgeurteilt werden, bei dem noch einmal die Mär einer Verwicklung des britischen Geheimdienstes präsentiert werden sollte. Elser war in seiner Zelle von den übrigen Gefangenen weitgehend abgeschirmt, konnte sich aber zumindest zeitweise mit Tischlerarbeiten befassen. Am 9. April 1945, das Ende von Hitlers »Drittem Reich« war nur noch eine Frage weniger Tage, wurde Elser im KZ Dachau auf Befehl Hitlers ermordet. Seine Leiche wurde anonym verbrannt, seine Asche verstreut. Keine Spur sollte von Georg Elser bleiben. Und vor allem keine Erinnerung an den Mann, der im Alleingang und um den Preis des eigenen Lebens eine Tat wagte, die den Verlauf der Geschichte hätte verändern können.

Letzte Änderung: 13. November 2019