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Ausgewählte Artikel - 2016
Disput - Juli 2016

Verbot

Vor 60 Jahren, am 17. August 1956, verbot das Bundesverfassungsgericht die Kommunistische Partei Deutschlands, das Urteil ist bis heute gültig

Der Antrag auf Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), den die Bundesregierung am 23. November 1951 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stellte, war nur ein weiterer, wenn auch besonders bösartiger Schritt auf dem Weg des militanten Antikommunismus, den die Bundesrepublik bereits bei ihrer Gründung im September 1949 eingeschlagen hatte.

Am 19. September 1950 hatte die Bundesregierung unter dem christdemokratischen Bundeskanzler Konrad Adenauer ein allgemeines Berufsverbot gegen alle Antifaschisten verfügt: Mitgliedern der KPD, der FDJ und der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, war es durch den »Adenauer-Erlass« fortan untersagt, im öffentlichen Dienst tätig zu sein. (1972 erlebte diese Praxis durch den »Radikalenerlass« der Bundesregierung unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt eine unrühmliche Neuauflage.) Nur ein Jahr später, am 31. August 1951, folgte das »Blitzgesetz«: Mit dem Ersten Strafrechtsänderungsgesetz wurde eine politische Sonderjustiz geschaffen, die sich nahezu ausschließlich gegen die KPD und ihre Mitglieder richtete. Nun waren nicht mehr nur konkrete Taten strafbar, schon eine unerwünschte politische Einstellung konnte jetzt mit dem Strafrecht »bekämpft« werden. Bereits am 26. Juni 1951 war die FDJ in Westdeutschland durch die Bundesregierung als »verfassungsfeindliche Organisation« verboten worden. Bezeichnend ist, dass im selben Jahr durch ein Ergänzungsgesetz zum Artikel 131 des Grundgesetzes nahezu allen früheren Beamten, die in den Jahren der faschistischen Diktatur in Deutschland zum großen Teil in maßgeblichen Positionen gewirkt hatten, die Rückkehr in den öffentlichen Dienst ermöglicht wurde.

Die Richter des zuständigen Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes, die ohne Frage keinerlei kommunistischer Sympathien verdächtig waren, zeigten allerdings zunächst keine Eile, den Verbotsantrag gegen die KPD zu verhandeln. Nicht nur für sie war offensichtlich, dass dieser Antrag einen ausschließlich politischen und schon deshalb grundgesetzwidrigen Charakter hatte. Es gab deshalb zunächst inoffizielle Bemühungen, die Bundesregierung zu einer Rücknahme zu bewegen.

Doch die Bundesregierung war nicht zum Einlenken bereit, im Gegenteil. Sie übte wiederholt massiven Druck auf das Bundesverfassungsgericht aus, um möglichst schnell zu einem Urteil zu kommen. Denn sie betrachtete die KPD als ernstzunehmendes Hindernis bei der Remilitarisierung und der militärischen Westintegration der Bundesrepublik, die von der Regierung Adenauer mit Hochdruck betrieben wurden, auch wenn dadurch die deutsche Wiedervereinigung auf lange Sicht verhindert wurde.

Als dann schließlich am 17. August 1956 das Verbotsurteil gegen die KPD verkündet wurde, sah sich das Bundesverfassungsgericht zu dieser Feststellung veranlasst: »Den Antrag, eine Partei zu verbieten, kann die Bundesregierung stellen. Es steht in ihrem politischen Ermessen und unter ihrer ausschließlichen politischen Verantwortung, ob sie den Antrag stellen will und soll. Ist der Antrag gestellt, dann ist das Gericht verpflichtet, darüber zu entscheiden.«

Während in Karlsruhe die Richter noch damit beschäftigt waren, das Urteil und seine Begründung zu verlesen, waren in der ganzen Bundesrepublik bereits zehntausende Polizisten im Einsatz, um im Rahmen der langfristig vorbereiteten »Aktion Karabiner« Parteibüros und Fraktionsräume der KPD und die Redaktionen und Druckereien der Parteizeitungen zu besetzen und aktive Kommunisten, soweit sie nicht rechtzeitig untergetaucht waren, zu verhaften. Fast 25.000 Wohnungen wurden durchsucht.

Insgesamt wurden bis 1968 auf der Grundlage des Verbotsurteils gegen die KPD zwischen 150.000 und 250.000 Ermittlungsverfahren wegen politischer Vergehen eingeleitet, zwischen 7.000 und 15.000 Personen wurden verurteilt.

Erst im Jahre 1968 wurde das politische Strafrecht in der Bundesrepublik weitgehend abgeschafft. Dadurch wurde im Oktober 1968 die Gründung der DKP, der Deutschen Kommunistischen Partei, möglich. Doch das Verbotsurteil gegen die KPD wurde bis heute nicht angetastet, obwohl auch in bürgerlichen Kreisen längst dessen »rechtsstaatlicher« Charakter langezweifelt wird. Es gehört zu den Verdiensten der PDS und der LINKEN im Bundestag, das Verbot der KPD immer wieder thematisiert und auf eine Rehabilitierung aller Verurteilten gedrängt zu haben. Bisher allerdings ohne greifbares Ergebnis.

Letzte Änderung: 3. Dezember 2019