Thälmann war mitverantwortlich

Leserbrief zu "Ernst Thälmann", in: neues deutschland, 16. und 17. April 2016

Die Aussage, der Karl Dietz Verlag und die Rosa-Luxemburg-Stiftung hätten Ernst Thälmann "vergessen", ist falsch. Erst vor wenigen Wochen konnte ich in der Reihe "Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus" des Karl Dietz Verlages, mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, eine Biografie Arthur Ewerts (1890-1959) veröffentlichen, der in den 20er Jahren ein wichtiger Spitzenfunktionär der KPD war. Um Ewerts Rolle als Gegenspieler Thälmanns insbesondere in der Frage der Stalinisierung der KPD historisch-kritisch darstellen zu können, war auch eine gründliche Befassung mit Thälmann und dessen Denken und Handelns erforderlich, deren Darstellung in dem Buch breiten Raum einnimmt.

Einige Richtigstellungen und Ergänzungen zur Biografie Thälmanns: Thälmann war seit dem Frankfurter Parteitag im April 1924 Parteivorsitzender. Er stand aber im Schatten von Ruth Fischer und Arkadi Maslow, die im August 1925 auf Betreiben der Kommunistischen Internationale (KI) in Moskau, aus der engeren Parteiführung ausgeschlossen wurden und so den Platz an der KPD-Spitze zugunsten Thälmanns räumen mussten. Der aber zeigte noch Mitte August 1925 kein großes Interesse, diese neue und große Verantwortung zu übernehmen: Er musste erst "zum Jagen getragen" werden. Ob man ihm eine Mitverantwortung für das Scheitern des Hamburger Aufstandes zuschreiben muss, bleibt Ansichtssache, denn Thälmann spielte beim Hamburger Aufstand weder politisch noch militärisch eine wirkliche Rolle.

Es ist meiner Meinung nach unzureichend, lediglich von einem "Moskauer Diktat" hinsichtlich der Politik der KPD (und der übrigen Mitgliedsparteien der KI) zu sprechen und einfach einen (permanenten) Widerspruch zwischen "Moskau" und den Mitgliedsparteien der KI außerhalb der Sowjetunion zu unterstellen. Thälmann war Spitzenfunktionär der KI und als solcher, wie zahlreiche andere nichtrussische Kommunisten in der Führung und im Apparat der KI auch, mitverantwortlich für die Formulierung und die Art und Weise der Umsetzung der Politik der kommunistischen Weltpartei und ihrer "Sektionen". Dies ist aus meiner Sicht ein Aspekt, der in der bisherigen Thälmann-Forschung nicht oder nur sehr unzureichend berücksichtigt wurde.