Ausgewählte Artikel - 2016
Haunted by Hitler
Rezension zu: Christopher Vials, Haunted by Hitler. Liberals, the Left, and the Fight Against Fascism in the United States, University of Massachusetts Press 2014
Christopher Vials, Professor für englische Sprache an der Universität von Connecticut, ist bisher nicht als Historiker in Erscheinung getreten. Und auch sein hier zu besprechendes Buch ist, anders als es der Titel vermuten lässt, keine geschichtswissenschaftliche Untersuchung, die sich mit der Hitler-Diktatur und ihren Wirkungen auf die liberalen und linken Kreise der US-amerikanischen Gesellschaft in den dreißiger und frühen vierziger Jahren befasst. Der Autor schildert keine historischen Ereignisse und Prozesse, er beschreibt – und analysiert – pro- und antifaschistische Ideenwelten in der US-amerikanischen Gesellschaft. Dabei führt er den Leser bis in die unmittelbare Gegenwart. Selbst die Politik und Ideologie von Sarah Palin und der Tea Party-Bewegung sind Gegenstand seiner Betrachtungen. Lesenswert wird das Buch vor allem durch den Umstand, dass Vials umfassend untersucht (und an zahlreichen Beispielen belegt), wie sich die »Angst vor dem Faschismus« und der Widerstand gegen seine US-amerikanischen Spielarten in der »öffentlichen Sphäre« (S. 9) der USA, also in Fernsehsendungen, Theaterstücken, Zeitungen und Zeitschriften, aber auch in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Büchern und anderen Publikationen, widerspiegeln.
Dabei kommt Vials wiederholt zu – vorsichtig formuliert – sehr eigenwilligen methodischen Ansätzen, die in ihrer Gesamtheit zeigen, wie fremd sich linke und linksliberale Denkmodelle diesseits und jenseits des Atlantiks mitunter sind. So ist für Vials das reale Wirken von Faschismus, sei es als Politik oder Ideologie, keineswegs eine notwendige Voraussetzung für einen Kampf gegen den Faschismus. Er versucht vielmehr, Antifaschismus aus sich heraus, als eigenständige politische und soziale Kategorie, zu definieren. So verortet er Antifaschismus überall dort, wo gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten agiert oder auch nur gedacht wird.
Damit erspart er es sich, eine eigene Definition des Faschismus zu entwickeln und zu begründen, die eine Vielzahl von historischen und aktuellen Phänomenen umfassen müßte.
Vials lässt keinen Zweifel, dass er eine Definition des Faschismus über ökonomische Interessen, wie von der Kommunistischen Internationale – und in ihrem Gefolge auch der Kommunistischen Partei der USA – in den dreißiger Jahren praktiziert, grundsätzlich ablehnt (S. 72). Faschismus und Antifaschismus sind für ihn ausschließlich ideenweltliche Phänomene, die zu realer Politik werden (können).
Wenig überraschend sieht Vials das Wirken des »Komitees für Unamerikanisches Verhalten« des US-Kongresses in den vierziger Jahren und den McCarthyismus der frühen fünfziger Jahre zwar nicht als »Faschismus«, aber dennoch als »Herausforderung für den Antifaschismus«. Er spricht sogar, erstaunlich genug, von der damals bestehenden Notwendigkeit eines »Volkskrieges« (S. 90 ff.).
Den Kampf der Black Panther-Bewegung Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre interpretiert Vials als »afroamerikanischen Antifaschismus« (S. 159 ff.) Da er, wie geschildert, auf eine eigene Faschismusdefinition verzichtet, kann bzw. muss er nicht zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen unterscheiden: So übersieht er, dass der weiße Rassismus, gegen den sich die Black Panther wandten, eine bereits vielhundertjährige Tradition hat und dass es diesen Rassismus schon lange vor dem Entstehen des Faschismus (und damit des Antifaschismus) gab, dass also Rassismus allein keineswegs genügt, um von Faschismus zu sprechen.
Andererseits nimmt Vials in keiner Weise zur Kenntnis, dass der von ihm gefeierte »afroamerikanische Antifaschismus« selbst Elemente eines – schwarzen – Rassismus enthält und damit – im Verständnis von Vials, selbst Ziel eines spezifischen Antifaschismus sein müsste.
Die Bestrebungen um die soziale Anerkennung und Akzeptanz sexueller Minderheiten sieht Vials als »queeren« bzw. »schwul-lesbischen Antifaschismus«. Als Gegner dieses sehr speziellen »Antifaschismus» sieht er die christliche Rechte in den USA, der er vorwirft, eine »Politik des Rosa Winkels» zu betreiben (S. 194 ff.)
Tatsächlich sieht Vials den Gegner des heutigen US-amerikanischen Antifaschismus in erster Linie im christlichen Fundamentalismus. Bereits in der Einleitung zitiert er den US-amerikanischen Romancier Sinclair Lewis und beschreibt so sein eigenes Credo: »Wenn der Faschismus nach Amerika kommt, dann wird er sich in die Fahne [der USA] hüllen und das Kreuz [des Christentums] vor sich hertragen.« (S. 1)
Letzte Änderung: 5. Oktober 2016