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Ausgewählte Artikel - 2016
Disput - Mai 2016

Ein operativer Künstler

Vor 125 Jahren wurde John Heartfield, der Meister der Fotomontage, geboren

John Heartfield, einer der bedeutendsten politischen Künstler des 20. Jahrhunderts, war in seinem Leben Maler, Graphiker, Fotomonteur, Bühnenbildner und vieles mehr. Er verstand sich als »operativer Künstler«, als ein Künstler also, der sich bei seiner Arbeit auch und vor allem an den Erfordernissen der Zeit orientierte und dabei möglichst viele Menschen ansprechen wollte. In diesem Sinne war er ständig auf der Suche nach neuen künstlerischen Formen.

Geboren wurde John Heartfield am 19. Juni 1891 in Berlin als Helmuth Herzfeld. Eine Lehre als Buchhändler brach er nach nur einem Jahr ab, um an der Münchner Kunstgewerbeschule ein Studium aufzunehmen. 1913 immatrikulierte er sich an der Kunst- und Handwerkerschule in Berlin-Charlottenburg.

Kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er als Soldat eingezogen. Mit Hilfe von Freunden gelang es ihm, sich bereits nach wenigen Monaten an der Front durch das Vortäuschen einer Nervenkrankheit dem weiteren Kriegsdienst zu entziehen. Der Kampf gegen den Krieg und seine Ursachen wurde nun zu seinem zentralen Thema. Dazu gehörte, dass er aus Protest gegen die antienglische Hetze in Deutschland seinen Namen anglifizierte und sich nun John Heartfield nannte.

Eine der produktivsten Phasen folgte: Gemeinsam mit seinem Bruder Wieland, der sich als Schriftsteller verstand, gründete er 1916 den berühmten Malik-Verlag. Mit dem Graphiker und Zeichner George Grosz gab er die Zeitschriften »Die Neue Jugend« und die »Kleine Grosz-Mappe« heraus, in denen sich die Berliner »Spielarten« des in der Schweiz entstandenen Dadaismus widerspiegelten. Doch seinen wirklichen Platz sah John Heartfield an der Seite und als Teil der Arbeiterbewegung. Am 31. Dezember 1918, dem Gründungstag der KPD, wurde er ihr Mitglied. Für die KPD gestaltete er ungezählte Plakate, Flugblätter, Broschüren, Installationen und andere öffentlichkeitswirksame Materialien.

Eine wichtige Wirkungsstätte wurde das vormalige Fabrik- und Geschäftshaus in der Berliner Kleinen Alexanderstraße 28. Dort hatte bereits Anfang 1926 die »Rote Gruppe«, ein Zusammenschluss kommunistischer Künstler, zu dem neben John Heartfield auch George Grosz und Otto Nagel gehörten, Atelierräume angemietet. Ein halbes Jahr später kaufte die KPD das Gebäude und machte es als Karl-Liebknecht-Haus zum offiziellen Sitz der Partei. Im Jahre 1928 entstand dort – in personeller Kontinuität zur »Roten Gruppe« – die weit über Berlin hinaus wirkende »Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler«, die ASSO. Ihr künstlerischer Mittelpunkt waren die Räume im Karl-Liebknecht-Haus.

Bis heute bekannt und berühmt wurde John Heartfield vor allem durch seine Fotomontagen, eine Technik, die er über Jahre perfektionierte und zu einer eigenständigen Kunstform entwickelte. Als seine erste politische Fotomontage gilt »Väter und Söhne 1924«, die er in einem Schaukasten des Malik-Verlages zeigte: Hindenburg und Skelette von Kriegsgefallenen nehmen den Vorbeimarsch von Kindern in Kadettenuniform ab.

Nicht weniger legendär sind die zahllosen Fotomontagen John Heartfields, die er vor und nach dem verhängnisvollen 30. Januar 1933 gegen die deutschen Faschisten richtete: »Millionen stehen hinter mir – der Sinn des Hitler-Grusses«, »Der Richter und der Gerichtete« zum Sieg des Kommunisten Georgi Dimitrow über Hermann Göring im Leipziger Reichstagsbrandprozess und »Wie im Mittelalter – so im Dritten Reich«, für das sich der Arbeiterschauspieler Erwin Geschonneck als Modell zur Verfügung stellte.

Die Jahre der Hitler-Diktatur verbrachte John Heartfield im Exil in Großbritannien. Im Sommer 1950 ließ er sich in der DDR nieder, wo ihm bald der politisch und künstlerisch gefährliche Vorwurf des »Formalismus« gemacht wurde. Es dauerte bis 1954, bevor er, durch die Attacken auch gesundheitlich angegriffen, seine Arbeit fortsetzen konnte. 1956 schließlich wurde John Heartfield als ordentliches Mitglied in die Akademie der Künste gewählt. Er starb am 26. April 1968 in Berlin.

Letzte Änderung: 19. Dezember 2016