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Ausgewählte Artikel - 2016
Arbeit – Bewegung – Geschichte - September 2016

Der Mann im Schatten

Rezension zu: Ulrich Weitz, Eduard Fuchs. Der Mann im Schatten, Karl Dietz Verlag, Berlin 2014

Ulrich Weitz ist einen ungewöhnlichen Weg gegangen: Er hat das Thema seiner 1990 eingereichten Dissertation, einer Arbeit über »Eduard Fuchs und die Bildsprache der deutschen Arbeiterbewegung vom Sozialistengesetz bis zur Novemberrevolution«, noch einmal aufgegriffen und mehr als zwanzig Jahre später – gestützt auf die nunmehr verfügbaren Archivmaterialien im einstigen Parteiarchiv der SED – eine deutlich erweiterte und in vielen Aspekten auch vertiefte Biographie von Eduard Fuchs (1870-1940), dem marxistischen Kulturwissenschaftler, Historiker, Schriftsteller und Kunstsammler, aber auch Parteipolitiker in SPD, KPD und KPD(O), vorgelegt.

Fuchs wurde in Göppingen geboren und wuchs in Stuttgart auf. Bereits 1886 wurde er Mitglied der damals verbotenen Sozialistischen Arbeiterpartei. 1888 war er Gründungsmitglied des »Vereins der Handlungsgehilfen« in Stuttgart. Im selben Jahr brachte ihm seine politische Tätigkeit eine erste Haftstrafe, der bis zur Jahrhundertwende weitere folgten.

1901 ging Fuchs nach Berlin und wurde Redakteur beim »Vorwärts«. Bekannt (und wohlhabend) wurde er durch seine dreibändige »Geschichte der erotischen Kunst« und die sechsbändige »Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Neuzeit«, der er den Spitznamen »Sittenfuchs« verdankte. Bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte er seinen Platz auf dem linken Flügel der SPD gefunden, folgerichtig gehörte er zu den Mitbegründern des Spartakusbundes. Am Gründungsparteitag der KPD konnte er nicht teilnehmen, weil ihn im Dezember 1918 eine abenteuerliche Reise nach Moskau führte: Auf persönlichen Wunsch Rosa Luxemburgs übermittelte er Lenin deren Überlegungen zur Gründung einer neuen (Kommunistischen) Internationale. Lenin seinerseits übergab Geld und Schmuck zur Finanzierung der KPD und bat Fuchs, in Deutschland eine Solidaritätsbewegung für Sowjetrußland zu organisieren. Fuchs wurde, wie Lenin es nannte, zum »Mann im Schatten«. Im Juni 1923 war Fuchs Gründungsmitglied der »Gesellschaft der Freunde des neuen Russland«. Ebenfalls 1923 begründete er mit Felix Weil und Max Horkheimer das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main.

Fuchs verband eine jahrelange enge Freundschaft mit Franz Mehring, dessen Nachlaßverwalter er wurde. 1929 brachte er gemeinsam mit August Thalheimer und Leo Borochowicz Mehrings gesammelte Werke in einer zehnbändigen Ausgabe heraus.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Fuchs bereits mit der KPD gebrochen, deren Angriffe gegen tatsächliche oder auch nur vermeintliche »Rechtsabweichler« er nachdrücklich verurteilte. Er schloss sich der KPD(O) an, der er bis zu seinem Tod im französischen Exil – wenn auch zuletzt auf einer Minderheitsposition – verbunden blieb.

Neben der Darstellung des politischen Weges von Eduard Fuchs widmet Weitz auch dessen vielfältigen Beziehungen zu namhaften Künstlern, insbesondere zu Max Slevogt, und dem Wirken von Fuchs als Mäzen und Kunstsammler – seine Sammlung von Arbeiten des revolutionären Künstlers Honoré Daumier umfasste mehr als 2.000 Blatt – breiten Raum.

In einem Satz: Weitz ist es überzeugend gelungen, ein fesselndes Bild eines außergewöhnlichen Mannes zu zeichnen.

Es bleibt, last but not least, ein weiterer Aspekt zu nennen: Es macht Spaß, dieses Buch in die Hand zu nehmen. Hochwertiges Papier, ein nicht alltägliches Schriftbild und hunderte, zum Teil farbige Illustrationen zeigen das Bemühen des Verlags, auch in der äußeren Erscheinung des Buches dem Mann gerecht zu werden, um dessen Leben und Schaffen es in der vorliegenden Publikation geht.

Letzte Änderung: 5. Oktober 2016