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Ausgewählte Artikel - 2016
neues deutschland - 1. Dezember 2016

Der Fall Ethel und Julius Rosenberg

Rezension zu: Sina Arnold und Olaf Kistenmacher, Der Fall Ethel und Julius Rosenberg. Antikommunismus, Antiamerikanismus und Sexismus in den USA zu Beginn des Kalten Krieges, edition assemblage, Münster 2016

Um es kurz zu machen: Ein gut gemeintes, aber schlecht gemachtes Büchlein. Und das nicht nur, weil 80 Seiten einfach zu wenig sind, um ein so komplexes Thema wie den Fall Ethel und Julius Rosenberg, zumal unter den – äußerst anspruchsvollen – Aspekten »Antikommunismus, Antiamerikanismus und Sexismus in den USA« angemessen abhandeln zu können.

Die Autoren haben vollkommen recht, wenn sie feststellen, dass das Schicksal von Ethel und Julius Rosenberg heute nur noch sehr wenigen Menschen bekannt und bewusst ist. Doch statt als Einstieg in ihr Thema einen (knappen) Überblick über die Ereignisse der frühen fünfziger Jahre zu geben, wenden sie sich sofort einer detailreichen Betrachtung über die Widerspiegelung des Falles Rosenberg in der Belletristik der nachfolgenden Jahrzehnte zu. So interessant und lesenswert beispielsweise das »Buch Daniel« von Edgar Lawrence Doctorow auch ist, es ist nur Fiktion und schon deshalb für das Anliegen des hier zu besprechenden Textes nicht wirklich hilfreich.

Auch wenn immer wieder die richtigen Stichworte fallen, die Autoren scheinen – erstaunlich genug – die Komplexität des von ihnen behandelten Themas nicht wirklich erfasst zu haben. Kaum gewinnt der Leser den Eindruck, dass die Autoren auf ein wichtiges Detail gestoßen sind, widmen sie sich umgehend einer anderen Frage. Das mag auch daran liegen, dass sie wichtige Veröffentlichungen zu ihrem Thema nicht kennen oder schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen haben. So tauchen in ihrem Literaturverzeichnis weder die einschlägigen Bücher von Nigel West (»Venona«, »The Crown Jewels«) noch von Alexander Feklisov (»Za okeanom i na ostrove«, »The Man Behind the Rosenbergs«) auf. Immerhin war Feklisov der in New York stationierte sowjetische Führungsoffizier von Julius Rosenberg. Gleichzeitig stützen sich die Autoren weitgehend unkritisch auf Bücher, die vor mehr als fünfzig Jahren entstanden sind (beispielsweise Walter Schneir und Miriam Schneir, »Invitation to an Inquest«) und schon deshalb die seither bekanntgewordenen Tatsachen nicht berücksichtigen konnten.

Angesichts dessen fallen sachliche Fehler, die es im Buch wiederholt gibt, kaum noch ins Gewicht. So war Harry Gold, der Kurier von Klaus Fuchs und David Greenglass, keineswegs Apotheker, sondern arbeitete zeitweise als Chemiker in einem pharmazeutischen Unternehmen.

Und schließlich: Die Autoren haben ihren Text »gegendert«. Das macht ihn nur schwer lesbar und signalisiert im Verständnis des Rezensenten, das er schon deshalb kaum lesenswert ist. Völlig überflüssig sind solche albernen Wortkonstruktionen wie »Juden_Jüdinnen«. Und mit Formulierungen wie »Mitarbeiter_innen des FBI« gaukeln die Autoren eine Realität vor, die es so nicht gab: Im FBI waren Frauen bis weit in die siebziger Jahre hinein bestenfalls als Schreibkräfte und für das Beschriften und Ablegen der endlosen Aktenbestände geduldet.

 

 

Letzte Änderung: 6. Dezember 2016