Disput - April 2012

Gernika

Vor 75 Jahren zerstörten Angehörige der faschistischen deutschen »Legion Condor« die baskische Kleinstadt und ermordeten hunderte Einwohner

Seit dem Juli 1936 tobte in Spanien der Bürgerkrieg: Putschisten unter General Francisco Franco hatten sich gegen die Zweite Spanische Republik und die Volksfrontregierung erhoben und wollten eine Diktatur nach deutschem und italienischem Vorbild errichten. Die Verteidiger der Republik erhielten zwar militärische und logistische Unterstützung durch die berühmten Internationalen Brigaden und durch die Sowjetunion, die Waffen und Ausrüstung zur Verfügung stellte. Doch hinter den Putschisten standen Hitlerdeutschland und Italien, die entgegen internationalen Vereinbarungen auch mit eigenen Truppen in die Geschehnisse auf der iberischen Halbinsel eingriffen.

Im Frühjahr 1937 hatten die Putschisten bereits große Teile Spaniens unter ihre Kontrolle gebracht. Fast das gesamte Baskenland befand sich in ihrer Gewalt, nur in der Gegend um Santander, am Golf von Biskaya, verteidigten die republikanischen Truppen noch einen schmalen Landstreifen. An dessen östlichem Rand lag die kleine Stadt Gernika, besser bekannt unter ihrem spanischen Namen Guernica.

Ende April 1937 hielten sich in Gernika fast ausschließlich Zivilisten auf, neben den etwa 5.000 Einwohnern auch mehrere hundert Flüchtlinge, die sich aus den umkämpften Landesteilen im Süden und Westen in das baskische Städtchen in vermeintliche Sicherheit gebracht hatten.

In den Morgenstunden des 26. April 1937 überflogen deutsche Bomber den Ort, die Piloten beobachteten eine größere Menschengruppe, die die etwa 25 Meter lange und zehn Meter breite Brücke über den Fluß Oca im Nordosten von Gernika überquerte. Die Zivilisten, die sich auf dem Weg zum Markt befanden, wurden zu einer Ansammlung republikanischer Truppen erklärt, und umgehend befahl der Stabschef der deutschen »Legion Condor«, der spätere Generalfeldmarschall Wolfram Freiherr von Richthofen, den Angriff auf Gernika.

Hitlerdeutschland hatte 1935 begonnen, unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages, eine eigene Luftwaffe aufzubauen. Die »Legion Condor«, die aus sogenannten Freiwilligen bestand, war nicht nur nach Spanien entsandt worden, um die Putschisten um Franco zu unterstützen, sondern auch und vor allem, um Kampferfahrungen zu sammeln, neue Flugzeuge und Waffen zu testen und um Taktiken des Luftkampfes zu erproben und weiterzuentwickeln. Während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher bestätigte Hermann Göring diese Tatsache. Am 81. Verhandlungstag, das war der 14. März 1946, sagte er aus: »Ich drängte lebhaft, die Unterstützung unter allen Umständen zu geben. Einmal, um der Ausweitung des Kommunismus an dieser Stelle entgegenzutreten, zum zweiten aber, um meine junge Luftwaffe bei dieser Gelegenheit in diesem oder jenem technischen Punkt zu erproben.« Für den Angriff auf Gernika wurde daher eine besonders große Vielzahl von Flugzeugen und Waffen eingesetzt.

Um 15.45 Uhr starteten vom Flugplatz Burgos die ersten Maschinen, angeblich mit dem Befehl, in Gernika die Brücke über den Fluß Oca zu zerstören. Doch die Bomben, die gegen 16.30 Uhr abgeworfen worden, trafen das Zentrum der kleinen Stadt, das sofort in Flammen aufging. Um 17.00 Uhr starteten in Vitoria, etwa 50 Kilometer von Gernika entfernt, weitere zehn Jagdflugzeuge. Zur selben Zeit hoben in Burgos 27 schwere Bomber ab. Als die Jagdflugzeuge Gernika erreichten, flogen sie in einer Höhe von etwa dreißig Metern über den Ort und schossen mit Maschinenkanonen auf die Menschen, die gerade versuchten, Überlebende aus den Trümmern zu retten und die Feuer zu löschen.

Wenige Minuten später trafen die Bomber ein und entluden ihre tödliche Last - Sprengbomben, Splitterbomben und Brandbomben, insgesamt zwischen 22 und 40 Tonnen - in mehreren Wellen über der bereits tödlich getroffenen Stadt. Mehr als drei Stunden dauerten die Angriffe, dann erst drehten die deutschen Flugzeuge endgültig ab. Gernika war zu 80 Prozent zerstört, mehrere hundert Menschen waren tot. Erst nach 16 Stunden gelang es, den letzten Brand zu löschen. Die Brücke über den Fluß Oca allerdings war unzerstört, keine einzige Bombe hatte sie getroffen.

Ein ähnliches Kriegsverbrechen hatten die hitlerdeutschen Legionäre bereits am 31. März 1937 begangen, als sie die Kleinstadt Durango, etwa 50 Kilometer von Gernika entfernt, zerstörten und dabei mindestens 500 Menschen töteten. Dieses Ereignis war allerdings von der internationalen Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen worden. Doch der deutschen Massenmord in Gernika wurde bekannt - bereits am übernächsten Tag, am 28. April 1937, berichtete die Londoner »Times« in einem dramatischen Augenzeugenbericht über den Massenmord. Die weltweite Empörung blieb allerdings folgenlos, Hitlerdeutschland konnte weiter für den Krieg rüsten und schließlich den mörderischsten Krieg der Menschheitsgeschichte entfesseln: Gernika war das Menetekel gewesen.

Im Gedenken an die zerstörte Stadt und an die Menschen, die im Bombenhagel starben, schuf der große spanische Maler Pablo Picasso eines seiner berühmtesten Gemälde, das er schlicht »Guernica« nannte. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Mai 1940, wo Picasso im Exil lebte, kam ein Offizier der faschistischen deutschen Wehrmacht in das Atelier des Malers, sah das Bild und fragte dümmlich: »Haben Sie das gemacht?« »Nein.«, war die Antwort des großen Spaniers an den verblüfften Deutschen, »Das waren Sie.«

Autor: Ronald Friedmann
Ausgedruckt am: 25. April 2024
Quelle: www.ronald-friedmann.de/ausgewaehlte-artikel/2012/gernika/