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Ausgewählte Artikel - 2011
Disput - Dezember 2011

Ein außergewöhnliches Leben

Vor 100 Jahren wurde der deutsche Physiker und Kommunist Klaus Fuchs geboren

Am 29. August 1949 zündete die Sowjetunion ihre erste Atombombe - viele Jahre früher, als von westlichen Experten erwartet wurde. Maßgeblichen Anteil daran hatte der deutsche Physiker und Kommunist Klaus Fuchs: Als Teilnehmer des US-amerikanischen Manhattan-Projekts zum Bau einer Atombombe war er in der Lage gewesen, die Sowjetunion über viele Jahre hinweg mit streng geheimen Informationen zu versorgen. Bei einem Verhör nach seiner Enttarnung als »Atomspion« antwortete er auf die Frage, was die wichtigste Information war, die er der Sowjetunion übergeben hatte: »Die wahrscheinlich wichtigste Information war der komplette Bauplan der Atombombe.«

Klaus Fuchs wurde am 29. Dezember 1911, vor genau 100 Jahren, in Rüsselsheim in der Familie des Pfarrers Emil Fuchs geboren, der 1921 als einer der ersten Geistlichen in Deutschland Mitglied der SPD wurde und in späteren Jahren Mitbegründer der Religiösen Sozialisten war.

Auch Klaus Fuchs wurde mit 18 Jahren zunächst Mitglied der SPD, doch angesichts des Eintretens der sozialdemokratischen Parteiführung für eine Wiederwahl Hindenburgs als Reichspräsident verließ er im Sommer 1932 die SPD und wurde Mitglied der KPD. Nach der Machtübergabe an Hitler mußte Klaus Fuchs deshalb aus Deutschland flüchten. Völlig mittellos kam er im September 1933 nach Großbritannien. Doch fand er dort sehr schnell die Unterstützung eines wohlhabenden Geschäftsmanns, der ihm ein Studium der Mathematik und der Physik an den renommiertesten britischen Universitäten ermöglichte. Es erwies sich sehr schnell, daß Klaus Fuchs nicht nur einer der talentiertesten Mathematiker, sondern auch einer der begabtesten und fähigsten Physiker seiner Zeit war. So war es beinahe selbstverständlich, daß er trotz seiner bekannten Sympathien für die kommunistische Sache und ungeachtet der damit verbundenen Sicherheitsbedenken Mitte 1941 zunächst in das britische und ab Ende 1943 auch in das US-amerikanische Projekt zur Entwicklung und zum Bau einer Atombombe einbezogen wurde.

Der Bau einer Atombombe, also einer Waffe mit einer bis dahin unbekannten mörderischen Kapazität, stellte alle daran beteiligten oder zur Teilnahme eingeladenen Wissenschaftler und Techniker vor eine moralische Entscheidung von großer Tragweite: Max Born, der verehrte Lehrer von Klaus Fuchs im schottischen Edinburgh, verweigerte die Teilnahme, weil er in der Atombombe »Teufelszeug« sah. Joseph Rotblat verließ das Manhattan-Projekt im Dezember 1944 als klar war, daß Hitlerdeutschland nicht mehr in den Besitz einer eigenen Atombombe gelangen würde und daß die US-amerikanische Atombombe somit eine Waffe für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sein würde. Klaus Fuchs traf die wohl konsequenteste Entscheidung. Er sah, daß Entwicklung und Bau einer Atombombe unter den gegebenen Umständen nicht zu verhindern waren. Doch er sah auch, daß es notwendig war, für ein nukleares Gleichgewicht zu sorgen, auch wenn er zur damaligen Zeit in seinem Denken einen solchen Begriff wohl noch nicht verwendete. Er suchte und fand Kontakt zur sowjetischen Auslandsspionage, fast sieben Jahre dauerte die Zusammenarbeit. In seinen Jahren in Großbritannien, also bis zum Herbst 1943, war es vor allem Ruth Werner, die legendäre »Sonja«, die als Kurierin die Verbindung zu Klaus Fuchs hielt. Doch auch nach seinem Wechsel nach New York und später nach Los Alamos im US-Bundesstaat New Mexico, dem Kernstück des US-amerikanischen Manhattan-Projekts, fand der sowjetische Geheimdienst Mittel und Wege, den Kontakt zu Klaus Fuchs aufrechtzuerhalten.

Im Januar 1950 wurde Klaus Fuchs, der seit 1941 britischer Staatsbürger war, in London verhaftet und wenige Wochen später wegen Atomspionage zur damals möglichen Höchststrafe von 14 Jahren Haft verurteilt. Mitte 1959 wurde er in Übereinstimmung mit der allgemeinen Rechtspraxis wegen guter Führung vorzeitig entlassen und in die DDR abgeschoben. Dort wurde er zunächst stellvertretender Direktor des Kernforschungszentrums Rossendorf. Das entsprach in etwa der Stellung, die er unmittelbar vor seiner Verhaftung in Großbritannien innegehabt hatte.

Als Wissenschaftler und Wissenschaftspolitiker hatte er in den folgenden fast dreißig Jahren wesentlichen Einfluß auf die Forschungspolitik in der DDR: Er war seit 1967 Mitglied des ZK der SED und seit 1972 auch Mitglied des Präsidiums der Akademie der Wissenschaften der DDR. Ab 1984 war er Leiter der Wissenschaftlichen Räte für energetische Grundlagenforschung und für Grundlagen der Mikroelektronik und hatte in dieser Eigenschaft maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Mikroelektronik in der DDR.

Klaus Fuchs starb hoch geehrt und hochdekoriert am 28. Januar 1988. Er wurde auf dem Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde mit allen militärischen Ehren beigesetzt. Doch seine größte Lebensleistung, in einem kritischen Augenblick der Weltgeschichte der Sowjetunion das Geheimnis der US-amerikanischen Atombombe enthüllt zu haben, wurde in den Trauerreden mit keinem Wort erwähnt: Erst nach 1990 wurde seine Rolle als »Atomspion« bei der Brechung des US-amerikanischen Atomwaffenmonopols und der Herstellung eines nuklearen Gleichgewichts in der internationalen Politik östlich der Elbe offiziell bekannt und vor allem anerkannt.

 

Letzte Änderung: 16. Dezember 2011