Neues Deutschland - 22. August 2009

Kein Wasser für Illegale

In den USA kann humanitäre Hilfe bestraft werden

Dieser Tage wurde der 27-jährige Walt Staton von einem Bundesgericht im US-amerikanischen Bundesstaat Arizona zu einer Bewährungsstrafe und 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt - für eine Geste der Menschlichkeit.

Walt Staton wurde bestraft, er muss jetzt auf öffentlichen Plätzen Müll aufsammeln. Warum? Ein Gericht hat den jungen Mann für schuldig befunden, im Buenos Aires Nationalpark im Grenzgebiet zu Mexiko »wissentlich und vorsätzlich Müll abgelegt« zu haben. Bei dem inkriminierten »Müll« handelte es sich jedoch um gefüllte Wasserflaschen, mit denen Staton verhindern wollte, dass illegale Einwanderer aus Mexiko auf dem Weg durch die Wüste, denn das ist der Buenos Aires Nationalpark, verdursten.

Walt Staton ist Mitglied von »No More Death«. einer der presbyterianischen Kirche nahe stehenden Organisation, die sich des Problems der illegalen Einwanderer auf eine ganz besondere Weise angenommen hat: Jährlich kommen allein im Bereich des Buenos Aires Nationalparks etwa 54 000 Menschen illegal über die Grenze in die USA. Und nicht immer sind diese Menschen auf die Strapazen des stundenlangen Marsches durch heißes und unwegsames Gebiet ausreichend vorbereitet. Staton und seine Freunde haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Flaschen mit Trinkwasser entlang der üblichen Marschwege der illegalen Einwanderer auszulegen. Mit gutem Ergebnis: Nach Angaben von »No More Death« hat es seit Juni 2008 keine Todesfälle wegen Verdurstens mehr gegeben. Bis Ende vergangenen Jahres tolerierten die USA-Behörden die Aktivitäten von »No More Death«. doch am 4. Dezember 2008 schlugen sie erstmals zu: Walt Staton und drei weitere Helfer wurden von Beamten der Naturschutzbehörde festgenommen. Tatsächlich können die leeren Wasserflaschen, und hier handelt es sich um viele tausend Stück, zum Problem für die einheimische Fauna und Flora werden. Doch war es wohl eher der Umstand, dass Walt Staton und seine Gefährten die Wasserflaschen mit der Aufschrift »Good luck« und »Buena suerte», also »Viel Glück« auf Englisch und Spanisch, auf die Flaschen geschrieben hatten, der die Behörde zum Handeln veranlasste.

Stellung. Walt Staton war zunächst mit einer Geldstrafe von 175 Dollar belegt wurde, die er jedoch nicht bezahlte. Daraufhin kam es zum Prozess, in dem der Staatsanwalt nunmehr eine fünfjährige    Bewährungsstrafe und 5000 Dollar Geldstrafe forderte. Doch schon gegen das  deutlich mildere Urteil werden Walt Staton und sein Anwalt Berufung einlegen. Am 2. September findet ein weiterer Prozess statt, dann werden 13 Angeklagte wegen des gleichen Delikts wie Walt Staton vor Gericht stehen.

In Washington hat man die Brisanz des Falles erkannt. Innenminister Ken Salazar hat sich mit sieben Vertretern von »No More Death« zu einem Gespräch getroffen. »Der Minister war unserem Anliegen gegenüber sehr aufgeschlossen, und seine Mitarbeiter werden nach einer Lösung suchen«, verkündete die Organisation anschließend auf ihrer Internetseite. Doch wie eine solche Lösung aussehen kann, ohne das Problem der illegalen Einwanderung insgesamt zu lösen, blieb offen.

Autor: Ronald Friedmann
Ausgedruckt am: 19. April 2024
Quelle: www.ronald-friedmann.de/ausgewaehlte-artikel/2009/kein-wasser-fuer-illegale/