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Ausgewählte Artikel - 2009
[LinksBlick (Jüterbog)] - September 2009

Damals und heute

Vor siebzig Jahren begann der Zweite Weltkrieg

Vor siebzig Jahren, am 1. September 1939, begann mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg in Europa. Die ersten Schüsse fielen um 4.45 Uhr, als das deutsche Linienschiff "Schleswig-Holstein" im Hafen von Danzig mit der Beschießung der Westerplatte, einer Halbinsel an der polnischen Ostseeküste, begann. Knapp drei Wochen später war Polen von den deutschen Truppen vollständig besetzt, im neugeschaffenen "Generalgouvernement" wurde von den deutschen Behörden ein mörderisches Regime errichtet.

Doch das erste Opfer des deutschen Expansionsdrangs, und damit in gewisser Weise des Zweiten Weltkriegs in Europa, war die Tschechoslowakei gewesen, die von Großbritannien und Frankreich im März 1938 mit dem sogenannten Münchener Abkommen widerstandslos an Deutschland ausgeliefert worden war, obwohl beide Staaten der Tschechoslowakei Sicherheitsgarantien gegeben hatten. Auch beim deutschen Überfall auf Polen kamen Frankreich und Großbritannien ihren Bündnisverpflichtungen nicht nach. Zwar erklärten sie Deutschland den Krieg, verzichteten aber auf Kampfhandlungen. Bis heute sprechen Historiker vom Komischen oder Sitzkrieg, der erst mit dem deutschen Einmarsch in Frankreich im Mai 1940 endete. Mit der Niederlage Frankreichs begann der deutsche Luftkrieg gegen britische Städte, der Tod und Zerstörung brachte. Großbritannien drohte die Gefahr einer Invasion.

Die Hoffnung im Westen, Deutschland würde sich unter Hitlers Führung zu einem sofortigen Krieg gegen die Sowjetunion entschließen, erfüllte sich nicht. Die Sowjetunion hatte sich in den letzten Augusttagen 1939 mit dem - bis heute umstrittenen - Nichtangriffsvertrag mit Deutschland einen dringend erforderlichen Zeitgewinn verschafft. (Auch wenn es schon zu jener Zeit keinerlei Rechtfertigung für die in einem geheimen Zusatzprotokoll vereinbarte Aufteilung Polens und die Festlegung von Einflußzonen im Baltikum gab.)
Am 22. Juni 1941 überfiel Deutschland wortbrüchig die Sowjetunion, für die nun der Große Vaterländische Krieg begann. Erst in dieser Situation begriff man auch im Westen die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns gegen die tödliche Gefahr, die vom faschistischen Deutschland ausging. Die Anti-Hitler-Koalition, getragen vor allem vom Bündnis der Sowjetunion, der USA, Großbritanniens und des freien Frankreichs, entstand. Die Schlacht vom Stalingrad brachte im Februar 1943 die Wende im Zweiten Weltkrieg. Nach langem Zögern und Taktieren eröffneten die westlichen Alliierten im Juni 1944 in Frankreich die Zweite Front. Am 2. Mai 1945, nach zahllosen blutigen Schlachten, in denen die Sowjetarmee die Hauptlast getragen hatte, wehte über Berlin die rote Fahne der Befreiung. Am 8. Mai 1945 mußte Deutschland die bedingungslose Kapitulation erklären.

In den knapp sechs Jahren des Zweiten Weltkriegs waren 50 Millionen Menschen gestorben, Dutzende Länder lagen in Trümmern, weltweit herrschten Hunger und Not.

"Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!", dieser von Willy Brandt in späteren Jahren formulierte Satz widerspiegelte eine Auffassung, die unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs breiteste Zustimmung fand und die als politische Maxime mehr als ein halbes Jahrhundert lang Bestand hatte.
Doch seit dem Ende des Realsozialismus ist in den Länder des übriggebliebenen Kapitalismus das Denken in militärischen Kategorien wieder salonfähig geworden. Und seit dem Überfall der Nato auf Jugoslawien im Frühjahr 1999 sind auch deutsche Truppen wieder mit dabei, wenn in der Welt Krieg geführt wird. Nach aktuellen Umfragen sind 70 Prozent aller Deutschen der Meinung, daß die Bundeswehr in Afghanistan nichts zu suchen hat und daß die deutschen Truppen dort sofort abgezogen werden sollten. Doch wenn es um Einflußsphären, Rohstoffe und Absatzmärkte geht, das ist die einzig mögliche Schlußfolgerung aus der Weigerung, der Mehrheitsmeinung der Deutschen Folge zu leisten, sind die Herrschenden und die Regierenden ganz offensichtlich nicht bereit, aus den Erfahrungen der Geschichte zu lernen. Widerstand ist nötig.

Wie hatte doch Bertolt Brecht in seiner Botschaft an den Weltkongreß der Völker in Wien im Jahre 1952 gesagt: "Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. (...) Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht naß, sagen viele. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen. Und doch wird nichts mich davon überzeugen, daß es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Laßt uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Laßt uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden."

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Letzte Änderung: 2. Oktober 2011