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Ausgewählte Artikel - 2007
junge Welt - 17. März 2007

Zweiteilung der Welt

Vor 60 Jahren verkündete der damalige US-Präsident Harry S. Truman die weltweite »Eindämmung des Kommunismus«

Als Harry S. Truman im Sommer 1944 als Vizepräsidentschaftskandidat nominiert und im November desselben Jahres auch gewählt wurde, gab es in der US-amerikanischen Öffentlichkeit keinen Zweifel, daß der damals 60 Jahre alte vormalige Senator aus dem Bundesstaat Missouri damit den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreicht hatte. Doch der überraschende Tod des langjährigen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt am 12. April 1945 hatte zur Folge, daß Truman tatsächlich in das höchste Staatsamt der USA aufrückte. Allerdings war er auf einen solchen Karrieresprung kaum ausreichend vorbereitet: Auch als Vizepräsident war er von allen wirklich wichtigen politischen und militärischen Entscheidungen ausgeschlossen gewesen und hatte sich auf repräsentative Aufgaben beschränken müssen. So erfuhr er beispielsweise erst drei Wochen nach seinem offiziellen Einzug in das Oval Office des Präsidenten, daß die USA an der Entwicklung und dem Bau der Atombombe arbeiteten. Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt mußte Truman über den militärischen Einsatz dieser Waffe entscheiden. Er befahl den nuklearen Massenmord.

Griechenland als Anlaß

Der Einsatz der Atombombe gegen Japan war in gewisser Weise der Auftakt zum Kalten Krieg gewesen, in dessen Verlauf und Ergebnis die USA und die Sowjetunion, die einstigen Verbündeten im Rahmen der Antihitlerkoalition, zu erbitterten Gegnern und sogar Feinden in der Weltarena wurden.

Es war wiederum Truman, der mit seiner berühmt-berüchtigten Rede vom 12. März 1947, die er an beide Kammern des US-amerikanischen Kongresses, dem Senat und dem Repräsentantenhaus, richtete, dem längst begonnenen Kalten Krieg auch eine ideologische Begründung gab, die als sogenannte Truman-Doktrin Eingang in die Geschichtsbücher fand.

Der als Demokrat firmierende US-Präsident befand sich seit den Zwischenwahlen im November 1946 in der wenig komfortablen Situation, mit einem Kongreß regieren zu müssen, in dem die Republikaner in beiden Häusern über die Mehrheit der Sitze verfügten. Als sich Truman an jenem 12. März 1947 an den Kongreß wandte, ging es ihm zunächst nur um die Bewilligung von 400 Millionen US-Dollar, die als Militär- und Wirtschaftshilfe an Griechenland und die Türkei weitergereicht werden sollten. In Griechenland tobte seit Jahren ein blutiger Bürgerkrieg, der seinen Anfang bereits in der Zeit des bewaffneten Kampfes gegen die deutsche Besetzung des Landes während des Zweiten Weltkrieges genommen hatte. Die von der Kommunistischen Partei organisierten und geführten Partisanenverbände versuchten nach der Befreiung von der Naziherrschaft - weitgehend auf sich allein gestellt, also ohne nennenswerte Hilfe seitens der Sowjetunion - ihren Einfluß auf ganz Griechenland auszudehnen, während königstreue Kräfte, umfassend unterstützt von Großbritannien, ihrerseits bestrebt waren, die Herrschaft über das gesamte Land zu erringen. Großbritannien hatte allerdings der US-amerikanischen Regierung offiziell mitteilen müssen, daß es aufgrund der erheblichen Aufwendungen zur Beseitigung der Kriegsfolgen im eigenen Land nicht mehr in der Lage sein würde, diese Unterstützung fortzusetzen und daß es nun Sache der USA sei, durch Hilfeleistungen an die antikommunistischen Kräfte in Griechenland zu verhindern, daß auch das Mittelmeerland in den »sowjetischen Herrschaftsbereich« fallen würde. Weniger dramatisch zeigte sich die Lage in der Türkei, doch auch in diesem Fall wurde verkündet, daß die Sowjetunion fraglos »expansionistische Absichten« verfolgen würde.

In seiner Rede ging Truman dann weit über die Frage der Entwicklung in Griechenland und in der Türkei hinaus. Er unterstellte eine unversöhnliche Teilung der Welt in zwei feindliche Lager, und er forderte die USA auf, den Staaten und Völkern der »freien Welt« vor allem finanzielle und wirtschaftliche Hilfe zu leisten, um die »Freiheit« zu verteidigen und um den internationalen Kommunismus, geführt von der Sowjetunion, »einzudämmen«.

Tatsächlich erhielt Truman nicht nur die Zustimmung zur Finanz- und Wirtschaftshilfe für Griechenland und die Türkei, die von ihm in seiner Rede geforderte und verkündete Politik der »Eindämmung des Kommunismus«, des »Containment«, wie der englische Begriff lautet, wurde für mehr als zwei Jahrzehnte zur bestimmenden Maxime der US-amerikanischen Außenpolitik. Widerstand seitens des Kongresses gegen seine Außenpolitik hatte Truman nun nicht mehr zu fürchten.

Noch im Jahre 1947 wurde der Marshallplan beschlossen, benannt nach dem damaligen US-Außenminister. Den westeuropäischen Staaten - die Sowjetunion und die Staaten in ihrem Machtbereich hatten eine Teilnahme abgelehnt - wurde umfangreiche finanzielle Hilfe gewährt, die in erster Linie die weltweite Nachfrage nach US-amerikanischen Produkten steigerte und die drohende Überproduktionskrise abwendete. Tatsächlich trugen die Zahlungen aber auch dazu bei, Not und Elend im kriegsverwüsteten Europa zu mindern, und mit dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Aufschwung verloren die kommunistischen Parteien in Westeuropa. insbesondere in Frankreich und Italien, deutlich an Rückhalt und Einfluß in der Bevölkerung.

Atomraketen gegen UdSSR

Im April 1949 wurde die NATO ins Leben gerufen. Ihre Hauptaufgabe war von Anfang an die »militärische Eindämmung«. In diesen Kontext gehörte auch die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, die unter maßgeblicher Beteiligung ehemaliger Hitlergeneräle bereits ab Herbst 1949 auf den Weg gebracht wurde. Im Gefolge der NATO-Gründung entstand bis Ende der fünfziger Jahre ein ganzer Ring von Militärbündnissen, die die UdSSR und ihre Verbündeten einkreisten.

Am 30. September 1950, auf dem Höhepunkt des Koreakrieges, unterzeichnete Truman den bis 1977 streng geheimen Report 68 des Nationalen Sicherheitsrates. Dieses Dokument war de facto eine Fortschreibung der Truman-Doktrin. Nunmehr ging es nicht mehr um »passive«, sondern um »aktive Maßnahmen der Eindämmung«.

In Übereinstimmung mit dieser neuen Politik begannen die USA beispielsweise ab 1959, in Italien und in der Türkei Atomraketen zu stationieren, die auf die Sowjetunion gerichtet waren. Im April 1962 war die Aufstellung der Raketen in der Türkei abgeschlossen, die aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen nur als Erstschlagwaffen genutzt werden konnten. Die Sowjetunion reagierte mit der Stationierung von Kurzstreckenraketen auf Kuba, was im Oktober 1962 zur sogenannten Kubakrise führte, die die Welt an den Rand eines Dritten Weltkrieges brachte.

Letztes Opfer der Truman-Doktrin war wohl Vietnam, wo die USA ab 1965 einen massiven Bombenkrieg führten und sehr bald auch mit Bodentruppen zugunsten des südvietnamesischen Marionettenregimes eingriffen.

Die traumatischen Erfahrungen des verlorenen Vietnamkrieges trugen Anfang der siebziger Jahre wesentlich dazu bei, daß sich die USA von der Politik der Truman-Doktrin verabschiedeten und sich - wenn auch nur vorübergehend - einer Politik der Entspannung zuwandten.

Letzte Änderung: 23. Juni 2017