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antifa - Februar 1997

Endstation: Exil in Mauritius

Mehr als anderthalbtausend Juden wurden auf der Insel interniert

Abseits der bekannten Touristenrouten, in keinem der einschlägigen Reiseführer erwähnt, liegt am Rande von Beau Bassin, der zweitgrößten Stadt von Mauritius, ein kleiner jüdischer Friedhof. Am Eingang kann man in englischer Sprache die traditionelle Inschrift "Gesegnet sei der wahre Richter" und die Jahreszahlen "1940-1945" lesen. Die Gräber sind zum Schutz gegen die Zyklone, die die kleine Insel im Indischen Ozean immer wieder heimsuchen, mit Betonplatten abgedeckt. Die Inschriften auf den Grabsteinen sind nur noch mit Mühe zu entziffern: Anita Hirschmann aus München, Julius Elias aus Berlin, Jakob Rittberg aus Dresden, Karl Spitz aus Wien, Bernhard Friedmann aus Danzig - 124 Menschen fanden hier in den Jahren 1941 bis 1945 in fremder Erde ihre letzte Ruhestätte.

Knapp 4.000 jüdische Flüchtlinge aus vielen Teilen des hitlerdeutschen Machtbereichs waren Ende August 1940 im slowakischen Bratislava aufgebrochen, um als illegale Einwanderer nach Palästina zu gelangen, das zu jener Zeit unter britischer Mandatsverwaltung stand. Dort, so hofften sie, würden sie nicht nur Zuflucht vor der nationalsozialistischen Judenverfolgung finden, sondern auch die Möglichkeit haben, sich ein neues Leben in Frieden und Freiheit aufzubauen. Auf vier völlig überladenen Flußdampfern ging ihre abenteuerliche Reise zunächst die Donau hinab bis an die rumänische Schwarzmeerküste. Dort wurden sie auf drei kaum hochseetaugliche und nur notdürftig für den Transport von Menschen umgebaute Frachtschiffe verladen, die sie nach monatelanger Irrfahrt durch das Schwarze und das Mittelmeer schließlich doch noch nach Palästina brachten. Die britische Regierung jedoch war entschlossen, die massenhafte jüdische Flucht nach Palästina mit allen Mitteln zu unterbinden und hatte deshalb verfügt, daß alle illegalen Einwanderer wieder deportiert werden sollten. Mit der Sprengung der "Patria", dem Schiff, mit dem die Flüchtlinge aus Palästina abgeschoben werden sollten, versuchten zionistische Aktivisten der Haganah, der britischen Regierung doch noch eine Einwanderungsgenehmigung für die Flüchtlinge abzutrotzen. Für einen Teil gelang das auch, doch 1.581 Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder, mußten aus Gründen der Staatsräson im Dezember 1940 den weiten Weg in ein ungewisses Exil in der damaligen britische Kronkolonie Mauritius antreten.

Dort wurden sie in einem gefängnisgleichen Lager unter zeitweise menschenunwürdigen Bedingungen interniert. Die Mehrzahl der Flüchtlinge war dennoch bemüht, auch unter den widrigsten Verhältnissen ihrem Leben einen Inhalt zu geben. So gab es im Internierungslager zeitweise eine Volksuniversität, es entstanden Werkstätten, eine Schule wurde eingerichtet. Die im Lager gegründete "Zionistische Vereinigung von Mauritius" organisierte den Kampf für die Rückkehr nach Palästina und bereitete ihre Mitglieder auf das Leben in der neuen Heimat vor. Die rund 50 Kinder, die im Lager geboren wurden, waren so auch ein Symbol der nie aufgegebenen Hoffnung, die sich mit der Rückkehr nach Palästina im August 1945 erfüllte.

Letzte Änderung: 11. November 2012