Das Geständnis von Klaus Fuchs gegenüber William Skardon

Quelle: Klaus Fuchs's Confession to William Skardon, January 27, 1950, in: Robert Chadwell Williams, Klaus Fuchs. Atom Spy, Cambridge and London 1987

Ich bin stellvertretender wissenschaftlicher Leiter der Atomenergie- forschungseinrichtung in Harwell.

Ich wurde am 29. Dezember 1911 in Rüsselsheim geboren. Mein Vater war Pfarrer, und ich hatte eine sehr glückliche Kindheit. Ich denke, die bemerkenswerteste Tatsache ist die, daß mein Vater immer das tat, von dem er glaubte, daß es das Richtige sei und daß er uns immer wieder aufforderte, genau so zu handeln, auch wenn er einmal nicht unserer Meinung sei. Er selbst hatte viele Kämpfe zu führen, weil er immer das tat, was ihm sein Gewissen befahl, auch wenn dieses im Widerspruch zu den allgemeinen Auffassungen stand. So war er beispielsweise der erste Pfarrer, der Mitglied der Sozialdemokratischen Partei wurde. Ich hatte während meiner Schulzeit nur geringes Interesse an politischen Fragen, abgesehen davon, daß ich durch die Tatsache, daß alle Mitschüler wußten, wer und was mein Vater war, immer wieder in diese Richtung gelenkt wurde. Ich denke, meine einzige politische Handlung während der Schulzeit fand bei einer Feier der Weimarer Verfassung in der Schule statt, als überall die Flagge der Weimarer Republik gezeigt wurde, in der Schule selbst aber sehr viele Mitschüler Abzeichen mit den Insignien des Kaiserreiches trugen. Daher nahm ich ein Abzeichen mit den Farben der Republik heraus und steckte es an, wurde aber sofort angewiesen, es wieder abzunehmen.

Als ich zur Universität Leipzig ging, wurde ich Mitglied der SPD und nahm an der Organisierung von Studentengruppen der SPD teil. Ich befand mich jedoch sehr bald in Opposition zur offiziellen Politik der SPD, zum Beispiel in der Frage der Marinerüstung, als die SPD das Programm zum Bau eines Panzerkreuzers unterstützte. Ich hatte zahlreiche Diskussionen mit Kommunisten, aber ich empfand eine gewisse Verachtung für sie, weil sie die offizielle Politik ihrer Partei stets akzeptierten, auch wenn sie mit ihr nicht einverstanden waren. Der entscheidende Punkt war jedoch, daß von den Kommunisten immer wieder die Politik der Einheitsfront vertreten wurde, es jedoch gleichzeitig scharfe Attacken gegen die Führer der SPD gab. Später ging ich an die Universität Kiel. Bemerkt sei noch, auch wenn es möglicherweise nicht wichtig ist, daß ich in Leipzig Mitglied des Reichsbanners war, einer paramilitärischen Organisation, der hauptsächlich Mitglieder der SPD und der Demokratischen Partei angehörten. In dieser Frage hatte ich mich von den Ansichten meines Vaters getrennt, der Pazifist ist. In Kiel war ich zunächst noch Mitglied der SPD, der Bruch kam jedoch, als die SPD entschied, Hindenburg bei der Wahl als Reichspräsident zu unterstützen. Ihr Argument war, daß die Benennung eines eigenen Kandidaten die Stimmen zersplittern und so Hitler gewählt werden würde. Das wiederum würde zur Folge haben, daß die SPD alle Positionen in Preußen verlieren würde, wo sie zum Beispiel die gesamte Polizeiorganisation kontrollierte. Diese Wahl war, glaube ich, 1932. Mein Argument war, daß wir Hitler durch die Zusammenarbeit mit anderen bürgerlichen Parteien nicht würden stoppen können, sondern daß ihn nur die geeinte Arbeiterklasse aufhalten könnte. Deshalb beschloß ich, mich öffentlich der offiziellen Parteipolitik entgegenzustellen und bot mich als Redner zugunsten des kommunistischen Kandidaten an. Kurz nach der Wahl von Hindenburg wurde Papen Reichskanzler, er entließ die gewählte Preußische Regierung und setzte einen Reichsstatthalter ein. An diesem Abend versammelten wir uns spontan. Ich ging zur Zentrale der Kommunistischen Partei, denn mittlererweile war ich aus der SPD ausgeschlossen worden, aber ich hatte noch Kontakt zu meinen früheren Freunden im Reichsbanner. Ich wußte, daß sie bereit waren, für die Preußische Regierung zu kämpfen, doch die Preußische Regierung gab kampflos auf. Alles, was sie taten, war ein Appell an den Staatsgerichtshof. An dieser Stelle brach die Moral der Basis der SPD und des Reichsbanners vollkommen zusammen, und es wurde offensichtlich, daß in diesen Organisationen keine Kraft mehr war, um Hitler Widerstand zu leisten. Ich akzeptierte, daß die Kommunistische Partei mit ihrem Kampf gegen die Führer der SPD recht gehabt hatte und daß es falsch von mir gewesen war, sie dafür zu kritisieren. Ich war bereits in die Kommunistische Partei eingetreten, weil ich das Gefühl hatte, organisiert sein zu müssen.

Kurz vor diesen Ereignissen war ich auch Mitglied einer Studentenorganisation geworden, zu der sowohl Mitglieder der SPD als auch Mitglieder der Kommunistischen Partei gehörten. Diese Organisation wurde von der SPD mißbilligt, aber es wurden erst Schritte gegen mich unternommen, als ich mich öffentlich gegen die offizielle Parteipolitik stellte. Ich wurde Vorsitzender dieser Organisation und wir richteten unsere Propaganda auf jene Nazi-Mitglieder, von denen wir glaubten, daß sie anständig waren. Die Nazis hatten beschlossen, ihre Propaganda gegen die hohen Gebühren zu richten, die die Studenten zu bezahlen hatten, und wir beschlossen, sie beim Wort zu nehmen, überzeugt, daß wir sie würden vorführen können. Ich führte die Verhandlungen mit den Führern der Nazi-Gruppe an der Universität und schlug vor, daß wir zusammen einen Streik der Studenten organisieren sollten. Sie wollten sich nicht festlegen, und nach ein paar Wochen entschied ich, daß es Zeit sei zu zeigen, daß sie keine Absicht hatten, wirklich etwas zu tun. Wir gaben ein Flugblatt heraus, erklärten, daß die Verhandlungen stattgefunden hätten, daß aber die Führer der Nazis sie nicht ernsthaft gewollt hätten. Unsere Politik hatte Erfolg, denn einige Mitglieder unserer Organisation hatten persönlichen Kontakt zu einigen der anständigen Nazis herstellen können. Die Nazi-Führer nahmen das offensichtlich zur Kenntnis, denn einige Zeit später organisierten sie einen Streik gegen den Rektor der Universität. Das war, als Hitler zum Reichskanzler gemacht worden war. Während dieses Streiks holten sie sich die Hilfe der SA in der Stadt, die ebenfalls vor dem Gebäude der Universität demonstrierte. Deshalb ließ ich mich dort jeden Tag blicken, um zu zeigen, daß ich keine Angst vor ihnen hätte. Doch bei einer dieser Gelegenheiten versuchten sie, mich umzubringen, ich konnte aber fliehen. Daß Hindenburg Hitler zum Reichskanzler gemacht hatte, bewies mir ein weiteres Mal, daß ich recht gehabt hatte, mich der offiziellen Politik der SPD zu widersetzen. Nach dem Reichstagsbrand mußte ich in den Untergrund gehen. Ich hatte Glück, denn an dem Morgen nach dem Reichstagsbrand verließ ich meine Wohnung sehr früh, um einen Zug nach Berlin zu bekommen, weil ich an einer Konferenz unserer Studentenorganisation teilnehmen wollte. Das ist der einzige Grund, warum ich einer Verhaftung entkam. Ich erinnere mich deutlich, daß ich die Bedeutung der Sache sofort erkannte, nach dem ich im Zug die Zeitung geöffnet hatte, und daß ich wußte, daß nun der Untergrundkampf begonnen hatte. Ich nahm mein Abzeichen mit Hammer und Sichel vom Revers, das ich bis zu diesem Zeitpunkt stets getragen hatte.

Ich war bereit, die Lehre der Partei zu akzeptieren, daß die Partei recht hatte und daß im bevorstehenden Kampf irgend welche Zweifel nicht mehr erlaubt waren, wenn die Partei eine Entscheidung getroffen hatte. Ich fühlte aber ein gewisses Unbehagen wegen meines Verhaltens gegenüber den Nazis. Ich wurde selbstverständlich auf der Konferenz, die illegal in Berlin stattfand, ausgiebig gelobt, aber in meinem Inneren machte es mich nachträglich betroffen, daß wir die Flugblätter über die Führer der Nazis ohne Vorwarnung verteilt hatten, ohne ihnen ein Ultimatum zu stellen, daß wir die Studentenschaft informieren würden, wenn sie nicht bis zu einem bestimmten Termin eine Entscheidung getroffen hätten. Wenn es tatsächlich keinen anderen Weg gegeben hätte, hätte ich mir keine Gedanken weiter gemacht, aber es hätte einen anderen Weg gegeben. Ich hatte also grundsätzliche Verhaltensregeln verletzt, ich fand keine Lösung für meine Schwierigkeit, und über dies Frage habe ich immer wieder nachgedacht. Letztlich habe ich akzeptiert, daß in einem Kampf dieser Art solche Dinge befangen machen und daß sie ein Zeichen der Schwäche sind, die man überwinden muß.

Alles das, was folgte, trug dazu bei, meine gerade gewonnenen Ideen zu festigen. Keine einzige Partei stimmte gegen die außerordentlichen Vollmachten, die Hitler durch den neuen Reichstag gegeben wurden, und an den Universitäten fand sich kaum jemand, der für diejenigen aufgestanden wäre, die aus politischen oder rassischen Gründen entlassen wurden. Sehr schnell stellte man fest, daß Menschen, die man einmal wegen ihres Anstands respektiert hatte, nicht die Kraft hatten, für ihre einstigen Ideale und moralischen Maßstäbe einzustehen.

Ich blieb im Untergrund, bis ich Deutschland verließ. Ich wurde von der Partei ins Ausland geschickt, und man sagte mir, daß ich meine Studien beenden müsse, weil nach der Revolution in Deutschland Menschen mit technischen Kenntnissen gebraucht werden würden, die am Aufbau des kommunistischen Deutschland teilnehmen könnten. Ich ging zuerst nach Frankreich und dann nach England, wo ich studierte und gleichzeitig ernsthaft bestrebt war, mir Grundlagen der marxistischen Philosophie anzueignen. Die Idee, die mich am meisten beeindruckte, war der Gedanke, daß die Menschen in der Vergangenheit nicht in der Lage waren, ihre eigene Geschichte und die Kräfte, die die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft bestimmen, zu erkennen, daß es nun dem Menschen zum ersten Mal möglich wäre, die historischen Kräfte zu verstehen und sie zu kontrollieren, und daß er so zum ersten Mal wirklich frei sein könne. Ich übertrug diese Idee in mein persönliches Leben und ich glaubte, daß ich mich jetzt selbst verstehen könnte und daß ich nun zu dem werden könnte, der zu werden sollen ich glaubte.

Ich akzeptierte lange Zeit, daß das, was intern über Rußland zu hören war, nur ausgesprochene Lügen waren. Meine ersten Zweifel ergaben sich aus einigen Handlungen der Außenpolitik Rußlands; es war für mich schwer, den deutsch-russischen Pakt zu verstehen, aber ich akzeptierte letztlich, daß Rußland dies tat, um Zeit zu gewinnen, daß es in dieser Zeit seinen Einfluß auf dem Balkan gegen den Einfluß Deutschlands ausweiten konnte. Schließlich schien der Angriff Deutschlands auf Rußland zu bestätigen, daß Rußland sich nicht verweigerte und daß es durchaus bereit war, eine Außenpolitik zu verwirklichen, die auch das Risiko eines Krieges mit Deutschland einschloß. Rußlands Angriff auf Finnland war noch schwerer zu verstehen, aber die Tatsache, daß England und Frankreich zu diesem Zeitpunkt zu einer Intervention in Finnland bereit waren, aber nicht bereit waren, einen ernsthaften Kampf gegen Deutschland zu führen, machte es möglich, die Erklärung zu akzeptieren, daß Rußland seine Verteidigung gegen die imperialistischen Mächte vorbereiten mußte. Letztlich akzeptierte ich ein weiteres Mal, daß meine Zweifel falsch waren und daß die Partei recht hatte.

Als Deutschland seinen tatsächlichen Angriff gegen Frankreich begann, wurde ich interniert, und mir wurden lange Zeit keine Tageszeitungen gestattet. Wir wußten nicht, was außerhalb geschieht, und ich konnte nicht sehen, wie das britische Volk zu dieser Zeit kämpfte. Ich fühlte keinen Ärger wegen der Internierung, denn ich verstand, daß es notwendig war und daß England zu dieser Zeit keine guten Menschen entbehren konnte, die für die Internierten Sorge trugen, aber es nahm mir die Möglichkeit, mehr über den wirklichen Charakter des britischen Volkes zu lernen.

Kurz nach meiner Entlassung wurde ich aufgefordert, Prof. Peierls in Birmingham bei einer kriegswichtigen Arbeit zu helfen. Ich akzeptierte und begann zu arbeiten, ohne zunächst zu wissen, um was für eine Arbeit es sich handelte. Ich möchte bezweifeln, daß es irgend einen Unterschied für mein nachfolgendes Handeln gemacht hätte, wenn ich die Natur dieser Arbeit vorher gekannt hätte. Als ich erfuhr, welchem Zweck meine Arbeit diente, beschloß ich, Rußland zu informieren, und ich stellte den Kontakt über ein anderes Mitglied der Kommunistischen Partei her. Seit dieser Zeit habe ich fortgesetzt Kontakt zu Personen gehabt, die mir vollkommen unbekannt waren, abgesehen davon, daß ich wußte, daß sie jegliche Information, die ich ihnen gab, an die russischen Behörden weiterleiteten. Zu dieser Zeit hatte ich vollkommenes Vertrauen in die russische Politik, und ich glaubte, daß die westlichen Alliierten vorsätzlich zuließen, daß Rußland und Deutschland einen tödlichen Kampf gegeneinander führten. Ich hatte deshalb keinerlei Vorbehalte, alle Informationen, die ich hatte, weiterzugeben, auch wenn ich gelegentlich bestrebt war, mich auf jene Informationen zu konzentrieren, die das Ergebnis meiner eigenen Arbeit waren.

Im Verlaufe meiner Arbeit entstanden selbstverständlich Bindungen durch persönliche Freundschaften, und ich mußte dafür Sorge tragen, diese von meinen innersten Gedanken zu trennen. Ich nutzte meine marxistische Philosophie, um in meinem Verstand zwei vollkommen getrennte Bereiche einzurichten. In dem einen Bereich erlaubte ich mir Freundschaften zu schließen, persönliche Beziehungen zu haben, anderen Menschen zu helfen und in jeder Beziehung der Mensch zu sein, der ich sein wollte und der ich früher in meinem persönlichen Umgang mit meinen Freunden innerhalb und im Umfeld der Kommunistischen Partei auch gewesen war. Ich konnte frei und unbeschwert und glücklich sein mit anderen Menschen, ohne Angst zu haben, mich selbst zu enttarnen, denn ich wußte, daß der andere Bereich Wirkung zeigen würden, sollte ich mich einem gefährlichen Punkt nähern. Ich konnte den anderen Bereich vergessen und mich doch auf seine Wirkung verlassen. Es erschien mir zu dieser Zeit, daß ich ein "freier Mann" war, weil es mir gelungen war, mich in diesem anderen Bereich vollständig unabhängig von den mich umgebenden Kräften der Gesellschaft einzurichten. Im Rückblick ist es wahrscheinlich die deutlichste Art und Weise, diesen Zustand als eine kontrollierte Schizophrenie zu bezeichnen.

In der Nachkriegszeit begannen erneut Zweifel an der russischen Politik aufzukommen. Es ist unmöglich, einzelne Ereignisse zu benennen, denn jetzt wirkte der Kontrollmechanismus gegen mich, in dem Tatsachen, die ich nicht zur Kenntnis nehmen wollte, ausgeblendet wurden, doch sie wirkten dennoch und ich kam schließlich zu dem Punkt, daß ich mit vielen Handlungen der Russischen Regierung und der Kommunistischen Partei nicht mehr einverstanden war, aber ich glaubte noch immer daran, daß sie eine neue Welt aufbauen würden und daß ich daran eines Tages teilhaben würden und daß ich deshalb eines Tages würden aufstehen können und sagen, daß es Dinge gibt, die sie falsch machen. Während dieser Zeit war ich nicht mehr sicher, ob ich alle Informationen, die ich hatte, weitergeben könnte. Wie auch immer, es wurde mehr und mehr offensichtlich, daß die Zeit, in der Rußland seinen Einfluß über ganz Europa würde ausdehnen können, weiter und weiter entfernt war und daß ich deshalb für mich zu entscheiden hätte, ob ich mit der Übergabe von Informationen noch viele Jahre würde weitermachen können, obwohl ich in meinem Inneren längst nicht mehr sicher war, das Richtige zu tun. Ich entschied mich, daß ich nicht weitermachen könnte. Den nächsten Treff konnte ich nicht wahrnehmen, weil ich krank war. Ich entschied, auch zu dem folgenden Treff nicht mehr zu gehen.

Kurze Zeit darauf teilte mir mein Vater mit, daß er überlege, in die östliche Zone Deutschlands zu gehen. Zu dieser Zeit fühlte ich mich meinem Vater geistig enger verbunden als jemals zuvor, denn auch er glaubte, daß sie dort zumindest versuchten, eine neue Welt zu errichten. Er stimmte mit vielen Dingen nicht überein und daran würde sich auch nichts ändern, aber er wußte, daß er das zur Sprache bringen könnte, wenn er dorthin geht, und daß er so deutlich machen könnte, daß man nicht eine neue Welt aufbauen kann, in dem man grundlegende Werte im persönlichen Verhalten zerstört. So konnte ich mich nicht überwinden, meinen Vater von seiner Absicht abzubringen. Zumindest war ich jetzt veranlaßt, einige mich betreffende Dinge genauer zu durchdenken. Ich fühlte, daß der Wechsel meines Vaters in die Ostzone, daß seine Briefe mich sehr berühren würden und daß ich nicht sicher sein könnte, nicht doch auch zurückgehen zu wollen. Ich vermute, daß ich nicht den Mut hatte, das für mich selbst auskämpfen zu wollen und deshalb veranlaßte ich eine Einwirkung von außen, in dem ich die Sicherheitsbehörden informierte, daß meine Vater die Absicht hatte, in die Ostzone zu gehen. Ein paar Monate vergingen und ich war mehr und mehr überzeugt, daß ich Harwell verlassen müsse. Ich sah mich mit der Tatsache konfrontiert, daß es Beweise dafür gab, daß ich in New York Informationen übergeben hatte. Mir war die Chance gegeben, das zuzugeben und in Harwell zu bleiben oder auszuscheiden. Ich war meiner selbst nicht sicher genug, um in Harwell bleiben zu können, und deshalb wehrte ich alle Anschuldigungen ab und beschloß, daß ich Harwell verlassen würde.

Mir wurde jedoch klar, daß unter diesen Umständen mein Abschied von Harwell zwei Folgen hätte. Ich würde eine große Lücke bei der Arbeit hinterlassen, die ich liebte, und ich würde einen Verdacht gegen Menschen hinterlassen, die mir sehr nahe standen, die meine Freunde waren und die glaubten, daß ich ihr Freund gewesen wäre. Ich mußte mir die Tatsache eingestehen, daß es mir möglich gewesen war, mit der einen Hälfte meines Ichs freundlich zu Menschen zu sein, Freundschaft mit ihnen zu schließen und sie gleichzeitig mit der anderen Hälfte meines Ichs zu betrügen und in Gefahr zu bringen. Ich mußte feststellen, daß mein innerer Kontrollmechanismus mich vor Gefahren für mich selbst gewarnt hat, daß er aber auch verhindert hat, daß ich feststellen konnte, was ich den Menschen antat, die mir nahe waren. Ich stellte schließlich fest, daß nicht nur die Kombination der drei Ideen, die mich zu dem gemacht hatten, was ich war, falsch war, sondern daß jede einzelne der drei Ideen falsch war, daß es feste Regeln des moralischen Verhaltens gibt, die in jedem Menschen verankert sind und die er nicht mißachten kann. Es muß dem Menschen in seinem Inneren klar sein, ob das, was er tut, richtig ist oder falsch. Daß der Mensch, bevor er eine fremde Autorität akzeptiert, seine eigenen Zweifel erkennen und beseitigen muß; und ich kam zu der Erkenntnis, daß ich das Ergebnis der Umstände war.

Ich weiß, daß ich die Dinge nicht zurückdrehen kann und ich weiß, daß ich nur versuchen kann, den Schaden zu reparieren, den ich verursacht habe. Das erste ist, daß ich sicherstellen muß, daß Harwell so wenig Schaden wie möglich nimmt und daß ich für meine Freunde so viel wie möglich von dem rette, was in meiner Beziehung zu ihnen gut für sie war.

Die Überlegung beherrscht mein Denken zur Zeit völlig und es ist schwer für mich, mich auf andere Punkte zu konzentrieren. Ich weiß jedoch, daß ich den Umfang der Informationen, die ich weitergegeben habe, darstellen muß, und daß ich, soweit mein Denken und Fühlen das zuläßt, helfen muß, andere Menschen aufzuhalten, die noch immer das tun, was ich getan habe.

Es gibt jedoch niemanden, den ich namentlich kenne, der sich mit dem Sammeln von Informationen für die russischen Behörden befaßt. Es gibt allerdings Menschen, die ich vom Sehen kenne, denen ich mein Leben anvertraut habe und die mir ihr Leben anvertraut haben, und ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, irgend etwas zu tun, das sie letztendlich in Gefahr bringt. Sie arbeiten nicht innerhalb des Projekts, sondern sie sind die Mittler zwischen mir und der Russischen Regierung.

Anfangs glaubte ich, daß alles, was ich tun würde, sein würde, die russischen Behörden darüber zu informieren, daß Arbeiten zum Bau einer Atombombe begonnen hätten. Sie wünschten jedoch weitere Informationen und ich stimmte zu, diese zu liefern. Ich beschränkte mich anfangs darauf, nur Produkte meiner eigenen Arbeit zu liefern, aber besonders in Los Alamos tat ich das, was ich heute als das Schlimmste betrachte, was ich getan habe, ich gab Informationen über die Grundlagen für den Bau einer Plutoniumbombe. Später in Harwell begann ich die Informationen zu sortieren, aber es ist schwierig zu sagen, wann und wie das geschah, denn es war ein Auf und Ab in diesem Prozeß meiner inneren Kämpfe. Das letzte mal, daß ich Informationen übergab, war im Februar oder März 1949.

Die englischen Bürger, mit denen ich vor meinem Eintritt in das Projekt Kontakt hatte, waren in ihrer Mehrzahl linksgerichtet und, in einem gewissen Grade, von der gleichen Philosophie geleitet. Seit ich nach Harwell gekommen bin, habe ich englische Bürger der unterschiedlichsten Art kennengelernt, und ich habe erfahren können, daß viele von ihnen eine große innere Festigkeit haben, die es ihnen erlaubt, ein ehrliches und anständiges Leben zu führen. Ich weiß nicht, wo das seine Wurzeln hat, und ich glaube, sie wissen das selbst nicht, aber es ist so.

Ich habe die Erklärung gelesen und nach meinem besten Wissen ist alles wahr.

Gez. Klaus Fuchs

Erklärung, von mir niedergeschrieben mit Erlaubnis von Emil Julius Klaus Fuchs im War Office am 27. Januar 1950. Er das Dokument gelesen, die gewünschten Änderungen vorgenommen und dann jede Seite mit seinem Kurzzeichen versehen.

Gez. W. J. Skardon

Übersetzung: Ronald Friedmann

Autor: Ronald Friedmann
Ausgedruckt am: 25. April 2024
Quelle: www.ronald-friedmann.de/dokumentation/das-gestaendnis-von-klaus-fuchs-gegenueber-william-skardon/